Der Kampf der US-Musikindustrie gegen den illegalen Song-Tausch im Internet beschäftigt nicht nur Rechtanwälte und Gerichte, er bringt auch eine neue Art von Firmen hervor, die sich auf das Aufspüren von illegalen Tauschaktionen, aber auch von Raubkopien und anderen Fällen von Betrug im Internet spezialisiert haben. Diese digitalen Detektive arbeiten meist auf Geheiß ihrer Arbeitgeber still und leise im Geheimen.

Rund 300 Millionen "Köder"

Marc Morgensterns Firma Overpeer ist gerade ein Jahr alt und beschäftigt 15 Mitarbeiter. Er schleust nach eigenen Angaben jeden Monat rund 300 Millionen "Köder" in die Tauschnetze ein, die wie Musikdateien aussehen. Einige der Köder sind leer. Sie sollen es einfach nur schwerer machen, echte Musikdaten zu finden. In anderen findet sich auch eine Warnung oder ein kleines Programm, das die Nutzer zu einer Web-Site leitet, wo sie diesen Song oder den Film legal kaufen könnten.

Keine Namen

Seine Kunden will Morgenstern nicht nennen. Fans von Madonna, die im Frühjahr ihr neues Lied aus dem Internet herunterladen wollten, werden derartige Köder aber vielleicht schon kennen. Einige hörten nämlich statt des erwarteten Songs nur die Stimme von Madonna, die sagte: "Was zum Teufel machst du hier?"

Randy Saafs Firma MediaDefender versucht den Tausch im Netz dadurch zu verleiden, indem künstlich Wartezeiten aufgebaut werden. Seine Mitarbeiter tarnen sich als normale Nutzer, die versuchen, eine große Datei mit einem langsamen Modem herunterzuladen. Etliche seiner Techniker waren früher beim Pentagon damit beschäftigt, Radarsysteme in die Irre zu führen.

Datenverkehr in Peer-to-Peer-Netzen

Andere Firmen wie BayTSP und Ranger Online arbeiten mit Programmen, die illegale Dateien in Tauschbörsen, Netzwerken, Chatrooms oder Newsgroups ausfindig machen sollen. Unternehmen wie BigChampagne messen den Datenverkehr in Peer-to-Peer-Netzen (P2P).

"Ich denke es ist gut, dass auch jemand an der P2P-Piraterie sein Geld verdient"

Eine echte Nachfrage nach ihren Diensten gab es erst in jüngster Zeit, seit dem Beginn des Kampfes der RIAA gegen Napster vor drei Jahren. Und der Bedarf an Online-Detektiven wird wohl noch einige Zeit wachsen. Zu den Kunden gehört neben der RIAA auch die Business Software Alliance (BSA), der führende Software-Hersteller wie Microsoft angehören. Diese hat ihre Warnungen vor möglichen Rechtsverstößen seit der Einführung des automatischen Systems von MediaSentry verzwanzigfacht. "Ich denke es ist gut, dass auch jemand an der P2P-Piraterie sein Geld verdient", sagt BSA-Vizepräsident Bob Kruger. «Schließlich verlieren viele Firmen dadurch auch Geld."

Zu den Kunden von Ranger Online gehört die US-Filmindustrie, BayTSP arbeitet unter anderem für Adobe Systems. Die Informationen von BayTSP führten zur Festnahme eines russischen Hackers, der den Kopierschutz für die eBook-Software von Adobe geknackt hatte.

"Wir sind bislang eine unbekannte Größe"

Viele andere Firmen in dieser Antipiraterie-Branche sagen wenig oder gar nichts über sich oder ihre Kunden. Bei Overpeer findet sich auf der Web-Site nur eine Kontaktadresse. Eine kalifornische Firma, NukePirates, gibt gar nur ein Postfach an. "Wir sind bislang eine unbekannte Größe", sagt Chuck Gurley, der mit NukePirates zusammenarbeitet. "Sie wissen nicht, ob wir fünf oder 50 Mitarbeiter haben, das ist manchmal von Vorteil."

Die Arbeit dieser Firmen ist aber auch nicht unumstritten, vor allem in rechtlicher Hinsicht. Angeheizt wurde die Debatte noch durch Vorschläge wie des Abgeordneten Howard Berman, der der Unterhaltungsindustrie das Recht geben wollte, den Tausch von Daten zu unterbrechen, oder von Senator Orrin Hatch, der vorschlug, die bei illegalen Downloads benutzten Rechner zu zerstören.

Subkultur von "Mantel-und-Degen-Typen"

Overpeer und MediaDefender beteuern, dass ihre Arbeit nichts mit Hacken und dem Eindringen in fremde Rechner zu tun hat. Eine Einschätzung, die auch Fred von Lohmann von der Bürgerrechtsgruppe Electronic Frontier Foundation teil. "Wenn sie die Grenze überschreiten, setzen sie alles aufs Spiel." Daneben gebe es aber auch eine Subkultur von "Mantel-und-Degen-Typen", die meinen an noch aggressiveren Methoden wie dem Verbreiten von Viren forschen zu müssen, sagt von Lohmann.

"Einer ist immer der Böse"

Mit ihrer Arbeit haben diese Firmen sich aber auch den Zorn etlicher Nutzer von Tauschbörsen zugezogen. Bei den Chefs von NukePirates gingen schon telefonische Todesdrohungen ein, bevor ihnen dann eine nicht öffentliche Rufnummer zugeteilt wurde. Im Internet kursieren auch Listen mit den Namen der Firmen, Informationen über sie werden in Newsgroups ausgetauscht. "Einer ist immer der Böse", sagt dazu der Chef von BayTSP, Mark Ishikawa. (APA)