Die perfekt inszenierte Handhabe von Kreuzschlüssel und Schrauben allein genügt eben nicht.

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Pro
Von Stefan Schlögl

Bertolt Brecht, Dichter und feuriger Automobilist, besang den Radwechsel in einem zarten Gedicht, dessen Inhalt für die hier eingeforderte Argumentationskette genau einen Fehler aufweist: Der Snob-Lyriker ließ seinen Fahrer hackeln.

Dabei ist das Räderwechseln in Zeiten, in denen die Generation Bürosessel beim kontemplativen Selbstfindungs-Schnitzkurs ("Die Hand ist das Fenster zum Geist") richtig Geld ablegt, ein tadelloser Anlass für sinnvolles Selbermachen. Die Vorteile sind evident: körperliche Ertüchtigung (Reifenpflücken vom Felgenbaum), geistige Arbeit (Lösen des Laufrichtungsrätsels), ein Kick fürs Ego (bewundernde Blicke aus der Nachbarschaft) und die Gelegenheit, altkluge Sätze wie "Nur über Kreuz angezogene Radmuttern sind gut angezogene Radmuttern" abzusondern. Der Rest ist Routine, die erst mit einem Chrom-Vanadium-Teleskop-Radschlüssel ihre ganze handwerkliche Geschmeidigkeit entfaltet. Radkappen drauf, Reifendruck prüfen, Felgenbaum schmücken. Fertig. Wenn Brecht das sehen könnte.

Kontra
Von Luise Ungerboeck

Man muss nicht gleich die Literaturgeschichte bemühen wie der Kollege nebenan, um zu wissen, dass Pneuwechseln von eigener Hand bestenfalls das Ego befriedigt - und die Eitelkeit. Als lebendes Beispiel sei Kollege S. erwähnt, traditionell ein Spätstarter, was Winterreifenpflicht betrifft. Also wartet in ganz Wien keine Werkstätte auf ihn, weil ausgebucht. Beim letzten Mal hat sich der zuweilen sparsame Gsiberger beim Selberhandanlegen auch noch bis auf die Knochen blamiert.

Die perfekt inszenierte Handhabe von Kreuzschlüssel und Schrauben allein genügt eben nicht. Auch der Wagenheber will sachgerecht bedient werden. Der fiel peinlicherweise um. Bert Brecht ist da vielleicht das Stichwort: Der Achsbruch blieb S. erspart, aber die Bremsscheibe musste geradegebogen werden, ein freundlicher Tankwart war ihm behilflich dabei. Ein weiteres Problem lässt sich an einer gemeinen Tankstelle freilich nicht planieren: Über den Sommer eingelagerte Gummis neigen nicht selten zu Unwucht. Dieser Ausgleich ist bei Reifenprofis natürlich inklusive. (Rondo, DER STANDARD, 11.10.2013)