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FN-Chefin Marine Le Pen, hier bei einer Veranstaltung im September, erlebt angesichts von Wirtschaftskrise, EU-Frust und steigender Kriminalität mit ihrer Partei einen Aufschwung.

Foto: AP/ C. Paris

40,4 Prozent Stimmen für den rechtsextremen Front National (FN) - das ist viel. Zumal, wenn die zweitplatzierte Partei, die bürgerliche "Union für eine Volksbewegung" (UMP), mit ihrer Kandidatin nur auf 20,8 Prozent der Stimmen kommt - und die Linke gerade einmal auf 14,6 Prozent.

So geschehen am Sonntag im ersten Durchgang einer Nachwahl für den Departementsrat in Brignoles, zwischen Provence und Côte d'Azur gelegen. Die Wahl ist nicht bedeutend. Das Resultat umso mehr, als ein FN-Dissident 9,1 Prozent der Stimmen erhielt. Die Rechtsextremen kommen damit auf fast 50 Prozent der Stimmen. In den Pariser Parteizentralen herrschte am Montag Alarm, wie viele Medien titelten. Die Parti Socialiste (PS) rief umgehend dazu auf, bei der Stichwahl für die UMP-Kandidatin zu stimmen. Angesichts der geringen Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang ist eine Trendumkehr nicht ganz ausgeschlossen.

FN-Präsidentin Marine Le Pen jubelte allerdings schon am Montag: "Wir sind nun die erste Partei Frankreichs." Die Parteichefin bezieht sich dabei nicht nur auf die Wahl in Brignoles, sondern auf alle anderen Nachwahlen der letzten Monate, bei denen ihre Kandidaten teilweise nur haarscharf die Wahl verpassten, weil sich Bürgerliche und Sozialisten mit einem ungeschriebenen "republikanischen Pakt" gegenseitig unterstützten. Wirtschaftskrise und EU-Frust, Kriminalität und Islam-Debatte sowie der nationale Krebsgang kommen Le Pen entgegen. Laut Umfragen haben ihre Ideen massiven Zulauf, und auch bei den Sympathiewerten übertrifft sie heute Präsident François Hollande klar.

Entteufelungs-Taktik

Langsam geht die Saat der 45-jährigen Präsidentin des Front National auf. Ihre Taktik der "dé-diabolisation" (Entteufelung) veranlasst immer mehr Franzosen, den FN als normale Partei und als ernsthafte politische Alternative anzusehen. Im Unterschied zu ihrem Vater Jean-Marie Le Pen, der für seine rassistischen und antisemitischen Sprüche diverse Geldbußen erhalten hatte, gibt sich "Marine" - wie sie viele Landsleute nennen - betont salonfähig und sozial. Journalisten, die sie als rechtsextrem "diffamieren", wie sie sagt, droht die ehemalige Anwältin mit rechtlichen Schritten.

Gehorsam meinte auch der FN-Kandidat in Brignoles, Laurent Lopez, seine Partei stehe "weder links noch rechts". Ihre Wahlerfolge beruhten nicht so sehr auf den angestammten FN-Themen Immigration und Sicherheit, sondern der Armut und hohen Arbeitslosigkeit. "Die Leute halten die soziale Spannung nicht mehr aus", bedeutete Lopez, der im Departement Var bisher als strammer Rechter bekannt war. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 8.10.2013)