Klaus Sulzenbacher (48) ist Osteopath und Physiotherapeut.

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Rum/Wien - "Ich bin schon in den Startlöchern. Jetzt fahr ich noch rauf auf die Thaurer Alm", sagt Klaus Sulzenbacher nach der Besprechung seines Lebens. Der gebürtige Kitzbüheler ist in Rum bei Innsbruck daheim, und gleich hinterm Haus fängt er an, der Weg hinauf auf die Alm. Die Freude ist besonders groß, weil sich Sulzenbacher (48) vor kurzem ein neues Mountainbike gekauft hat, wofür die Zeit insofern reif war, als das alte Bike bereits 18 Jahre auf dem Buckel hatte.

Zuletzt hat Sulzenbacher wieder einmal in seine Fortbildung investiert. Im April schloss er die Ausbildung zum Osteopathen ab. Fünf Jahre hat sie gedauert und allerhand gekostet. "30 Kurse hab ich gemacht, jeweils von Donnerstag bis Sonntag, ein Kurs kostet 500 Euro, der Verdienstentgang macht doppelt so viel aus. Ich geh davon aus, dass es sich auszahlt."

Seit 2006 hat Sulzenbacher eine Praxis in Rum. "Der Knotenlöser bin ich geworden", erzählt er, und im Netz findet man die Praxis unter knotenloeser.at. Das Geschäft geht gut. Der Spitzensportler Klaus Sulzenbacher ist in Vergessenheit geraten in Rum und Umgebung, mit seinem Namen verbindet man mehr den Physiotherapeuten, der die Menschen vom Schmerz befreit. Schließlich weiß er, der ehemalige Spitzensportler, sehr gut, was Schmerz ist.

"Ich bin nicht mehr auf die Kundschaft angewiesen, die mir die Ärzte überweisen. Es hat sich herumgesprochen, dass ich helfen kann. Da ist die Mundpropaganda sehr wichtig." Und Sulzenbacher erzählt, dass mitunter Patienten in die Praxis kommen, wo sich auch seine Pokale und Medaillen befinden, und sagen: "Aha, dieser Sulzenbacher sind Sie."

Dieser Sulzenbacher war als nordischer Kombinierer quasi der Pionier in Österreich. Es begann in Kitzbühel, als neben seinem Elternhaus die Schattbergschanze reaktiviert wurde. Der neunjährige Klaus sprang mit Alpinskiern drüber, bekam Lust und Sprungskier, wollte Spezialspringer werden, doch sein erster Trainer sagte ihm, dass ein echter Nordischer zu kombinieren habe, den Sprunglauf und den Langlauf eben. Sulzenbachers Ehrgeiz erwachte, täglich wurde nach der Schule trainiert.

1980 kam er ins Skigymnasium Stams, wo erstmals eine Gruppe von Kombinierern gebildet wurde. "Das war eine gute Entscheidung", sagt er naturgemäß. Als Stams-Schüler belegte er bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo Rang neun. Im Laufe der Karriere brachte es Sulzenbacher zu zwei Gesamt-Weltcupsiegen, 1991 zu einer WM-Goldenen mit der Mannschaft und zu einer WM-Silbernen im Einzel. Bei Olympischen Spielen errang er 1988 und 1992 ingesamt eine silberne und drei bronzene Medaillen.

Nach den Spielen '92 in Albertville hörte Sulzenbacher auf, um neu anzufangen. Die Umstellung beim Springen auf den V-Stil erleichterte den Abschied. "Ich war erst 27, aber ich musste mir die Frage stellen, wie es weitergeht. Das große Geld war ja nicht drinnen in unserem Sport."

Sulzenbacher hatte zwar damals schon eine Trainerausbildung gehabt, aber mit dieser, so seine Überlegung, könne er nie wirklich unabhängig sein. "Du kannst ein noch so guter Trainer sein, aber du wirst immer am Erfolg der andern gemessen." Und als Skitrainer gibt es zum Österreichischen Skiverband nur eine Alternative, das Ausland, und danach strebte Sulzenbacher nicht. Also wurde er Physiotherapeut. In Ermangelung einer Matura dauerte die Ausbildung sechs Jahre. Nebenbei arbeitete er als Trainer in Stams.

2001 kam Julia auf die Welt, seine erste Tochter, 2003 Verena, die zweite. "Das Problem war, dass ich in Stams zu wenig verdient habe, um eine Familie zu ernähren." Sulzenbacher wurde wieder zum Kombinierer, arbeitete einen halben Tag in Stams und einen halben Tag als freiberuflicher Therapeut, eingemietet in einer Praxis. "Das hat dazu geführt, dass ich das eine und das andere nicht gescheit machen konnte. Der Stress ist immer größer geworden. Ich wollte zu 100 Prozent wo sein, kein Kombinierer mehr sein." 2006 ergab sich die Gelegenheit, im neuen Gemeindezentrum in Rum wurden Räumlichkeiten frei, Sulzenbacher gründete seine eigene Praxis.

Dort gibt er den Physiotherapeuten und seit Oktober den Osteopathen. "Und das lasse ich mir auch entsprechend bezahlen." Megaanstrengend sei sie halt, die Arbeit, körperlich und geistig. "Ich mag den Job, aber es muss mir schon klar sein, dass ich das in diesem Umfang nicht bis zur Pensionierung durchhalte."

Die Mutter des Kombinierers, Fini Sulzenbacher, war einst die erste grüne Gemeinderätin in Kitzbühel. Und wie hält er, Klaus Sulzenbacher, es mit einer aktiven Rolle in der Politik? "Ich habe mich immer davor gehütet. Einmal hat mich fast der Schlag getroffen, als Richard Lugner angerufen hat. Er hat Leute gesucht für seine Kandidatur zum Bundespräsidenten. 'Es ehrt mich, dass Sie an mich denken', hab' ich gesagt, 'aber dafür bin ich nicht der richtige Typ.'"

Wasserski statt Skispringen

Sportlich unterwegs ist Sulzenbacher noch immer, mit dem Mountainbike, als Eishockeyspieler, als Wanderer und Kletterer, als Skitourengeher, mitunter als Golfer oder auf Wasserskiern. "Nur Skispringen tu ich nicht mehr, das funktioniert irgendwie nicht. Als ehemaliger Abfahrer kannst du die Streif langsam runterfahren. Aber vom Bergisel kannst du nicht langsam runterspringen." Doch in jüngerer Zeit kommt Sulzenbacher wieder öfter zu den Schanzen. Julia, die ältere Tochter, hat mit dem wettkampfmäßigen Skispringen begonnen.

Die nordischen Kombinierer liegen ihm immer noch am Herzen. "Ich will nach Sotschi, zu den Olympischen Spielen. Ich möchte als Fan dort sein, aber ich muss erst schauen, wie ich es anlege. Denn abzocken lassen will ich mich nicht."

Abgesehen davon ist er mit seiner Freundin gerne im Campingbus unterwegs. Er, der Bus, ist 18 Jahre alt. "Ich brauche kein anderes Auto. Da hauen wir die Radeln hinten drauf und können drinnen schlafen. Ich bin kein Hotel-Typ. Ich steh' lieber am Berg und schau' runter." (Benno Zelsacher, DER STANDARD, 7.10.2013)