Hat mit "Soldate Jeannette" ein Ufo im Kino gelandet: Regisseur Daniel Hoesl.

Foto: Andy Urban

Wien - Der programmatische Satz fällt gegen Ende des Interviews: "Zu lernen, das nicht zu tun, was man nicht tun will", darum gehe es, meint Daniel Hoesl. Aus einer von Herman Melvilles berühmter Bartleby-Figur entlehnten Verweigerungshaltung ("I prefer not to") leitet der österreichische Jungregisseur die Politik ab, die auch seinen Debütfilm Soldate Jeanette antreibt; ernsthaft-aufrichtig, aber nicht ohne Witz versteht sich sein Film als antimaterialistisches Statement.

Fanni, die zentrale, von Johanna Orsini-Rosenberg verkörperte Protagonistin, ist eine der ungewöhnlichsten Heldinnen des jüngeren heimischen Kinos. Eine Frau aus bourgeoisen Verhältnissen, die schon lange keine Rechnungen mehr bezahlt, aber Wert auf Lebensqualität legt. Wenn sie konsumiert, dann ohne Rücksicht auf Schulden. Ihre Nonchalance sollte man nicht mit Ignoranz verwechseln - in krisenfixierten Zeiten stellt ihre Haltung schon einen Schritt in die Subversion dar.

Hoesl greift mit dem Film spielerisch eine hochaktuelle Thematik auf: "Ich sehe die Verweigerung als Möglichkeit zum Widerstand. Man nimmt an etwas nicht teil, was einen beherrschen will." Natürlich lebe man in einer Welt, in der Geld notwendig erscheint, aber es gelte, in einen postmateriellen Zustand zu gelangen. Was Hoesl damit meint? "Ich lebe selbst prekär", erläutert er, "aber völlig privilegiert. Ich kaufe nichts neu. Ich habe keine Sorgen. Geld gibt mir überhaupt nichts. Aber ich habe Freude an der Arbeit."

Der 31-Jährige entspricht dieser Haltung auch durch die Art und Weise, wie seine Low-Budget-Produktion zustande gekommen ist: Der Film wurde mit einem Budget von rund 65.000 Euro realisiert, womit sich Hoesl inhaltlich und ästhetisch große Freiheit bewahrt hat. Das Kollektiv dahinter nennt sich European Film Conspiracy - Produzentin Katharina Posch und Kameramann Gerald Kerkletz -, und es zielt darauf, ohne schwerfällige Förderstrukturen unterhaltsames Autorenkino zu ermöglichen. Hoesls Ergänzung: "Man sollte solche Projekte jedoch stärker fördern, sonst geht es den Institutionen wie Microsoft, wo es keine Innovation mehr gibt."

Ohne Drehbuch, ohne Idee

Tatsächlich gelang es Soldate Jeannette, als erste österreichische Produktion überhaupt zum US-amerikanischen Sundance-Festival eingeladen zu werden; Anfang 2013 wurde der Film auch mit einem Tiger auf dem renommierten Festival von Rotterdam prämiert. Etwas, das bei einem Film, der laut Hoesl "ohne Drehbuch, ohne normale Schauspieler und ohne Ideen, was wir eigentlich drehen" entstanden ist, besonders beachtenswert erscheint.

Die Szenen wurden für den Dreh nur in knappen Sätzen skizziert, die Schauspieler, die meisten Amateure, haben sich bei den Dialogen selbst eingebracht. Orsini-Rosenberg ist zwar Schauspielerin, ihr biografischer Adelshintergrund hat die Figur des Films jedoch maßgeblich mitbestimmt: "Verlust ist für sie keine Option, sie kommt aus einer Welt, in der Geld keine Rolle spielt."

Stilistisch unterscheidet sich der Film stark vom heimischen Milieurealismus: In den von Kerkletz mit Raffinesse angeschnittenen Einstellungen dominiert ein absurder-beiläufiger Tonfall, der Fannis Weg in die Autonomie auch eine ironische Färbung verleiht. Hoesl, der als Assistent von Ulrich Seidl gearbeitet hat, gibt an, von den Kinobüchern des Philosophen Gilles Deleuze geprägt worden zu sein. Eloquent spricht er von Alain Resnais oder Robert Bresson: "Von ihnen habe ich zu verstehen gelernt, dass ich eine Filmwahrheit eher in einer Stilisierung finde, wenn ich mit Sprache arbeite oder mit Ausstattung."

Die Mischung aus szenischer Abstraktion und sprachlicher Improvisation bewahrt Soldate Jeannette davor, ins Prätentiöse abzugleiten. Im zweiten Teil des Films, der auf einem Bauernhof spielt, erhält der Film in der Beschreibung von Arbeitsabläufen dokumentarische Qualitäten. Hier begegnet Fanni in Anna (Christina Reichsthaler) ihrer komplementären Figur, einer jungen Frau, die sich in materiellen Gütern eine andere Existenz auszumalen vermag.

"Sie will genau dorthin, wovor die andere geflüchtet ist. Sie wünschen sich vielleicht beide nur die Katastrophe." Hoesl denkt sein Kino in ungewöhnlich großen Kategorien - sein Film hinkt diesem Anspruch, über Tristesse hinauszuzielen, erfreulicherweise nicht hinterher: "Ich sehe die Chance, und wenn es nur ein Irrlicht ist, dann flackert's." (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 4.10.2013)