ÖVP spielt auf Zeit und setzt auf klares Abkommen

Wien - "Es ist nichts anderes drinnen als die große Koalition", sagt ein bedeutsames Mitglied des ÖVP-Vorstands, das festhält, dass es im ÖVP-Vorstand auch weniger bedeutsame Mitglieder gibt, das seien vor allem auch jene, die jetzt Fantasien in Richtung Neos, Grüne oder Stronach entwickelten. Das sei nicht nur völlig unrealistisch, sondern schlichtweg eine Schnapsidee.

Die ÖVP steckt in einem gewaltigen Dilemma: Die große Koalition ist unbeliebt wie nie, gleichzeitig aber auch die einzig realistische Variante. "Nur nicht mit den Roten", das findet im ÖVP-Vorstand eine Mehrheit, dennoch scheint klar, dass alles andere zum Scheitern verurteilt wäre. Eine Dreierkoalition mit der FPÖ und Frank Stronach taugt angesichts der jüngsten Entwicklungen im Team Stronach nicht einmal mehr als Drohkulisse. Eine Koalition mit der SPÖ, zu der man freiwillig die Grünen oder die Neos dazuholt, findet in der Parteispitze keinen Anklang, da ist sich Michael Spindelegger auch mit SPÖ-Chef Werner Faymann einig: zu kompliziert, zu brüchig.

Also geht es darum, die große Koalition neu zu denken und neu aufzustellen. Da sind sich die Jungen und die Alten einig, Sebastian Kurz und Andreas Khol etwa, da sind sich auch die mächtigsten Landesfürsten einig, Niederösterreichs Erwin Pröll und Oberösterreichs Josef Pühringer.

Der geheime Konsens in der Partei sieht Folgendes vor: Erst einmal Gespräche mit allen Parteien zu führen. Dabei soll es in erster Linie darum gehen, einen möglichen Konsens in Sachfragen auszuloten. Die ÖVP will noch vor einer Koalitionsbildung ein Bündnis zu jenen Fragen schmieden, zu denen im Parlament eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist.

Diese Sachfragen müssten auch mit der SPÖ außer Streit gestellt werden. Sowohl Pröll als auch Pühringer fordern, dass mit der SPÖ ein ganz konkretes Arbeitsbündnis festgelegt wird, in dem wesentliche Themen außer Streit gestellt werden. Dieses Übereinkommen müsste auch einen zeitlichen Ablauf vorsehen.

In fünf Jahren Geschichte

Klar sei, dass man nicht weitermachen könne wie bisher. Sebastian Kurz, Obmann der Jungen ÖVP, kann sich fallweise auch die Zusammenarbeit mit anderen Kräften im Parlament vorstellen. Andreas Khol, Obmann des Seniorenbundes, sagt: "Das, was wir jetzt tun, entscheidet darüber, ob wir in fünf Jahren Geschichte sind oder ob wir uns noch einmal erholen können."

Allen Entscheidungsträgern in der Partei sei klar, dass man eine Koalition mit der SPÖ neu darstellen müsse. Das müsse man aber auch erst der SPÖ verkaufen, die das noch nicht eingesehen habe.

Das könne dauern. "Ob die Koalition eine Woche früher oder später zustande kommt, ist egal", sagt das bedeutsame Vorstandsmitglied, "wir müssen unsere Konflikte jetzt austragen." (völ, DER STANDARD, 3.10.2013)

SPÖ macht Druck und will sich nichts diktieren lassen

Wien - In der SPÖ fühlt man sich ein wenig gepflanzt. Die ÖVP sei mit einem Ergebnis von 24 Prozent deutlich hinter der SPÖ (26,9) und tue dennoch so, als ob sie Bedingungen und gar den Kanzler stellen könne. Die Abneigung, die von den Schwarzen herüberschwappt, bleibt bei den Roten nicht unerwidert.

Werner Faymann möchte die von ihm angestrebte Koalition mit der ÖVP lieber heute als morgen ins Trockene bringen. Mittlerweile dämmert es aber auch der SPÖ-Spitze: Das wird dauern. Die ÖVP kokettiert mit einem Termin um Weihnachten. Und zelebriert - sehr zum Ärger der SPÖ - ihre Gespräche mit den anderen Parteien.

Reformen umsetzen

Im SPÖ-Präsidium herrscht die Ansicht, dass man jetzt - mit dem Abstand zur ÖVP - endlich die roten Positionen in der Regierung umsetzen könne: In erster Linie die Einführung vermögensbezogener Steuern, die man schon so lange fordert, und eine Bildungsreform, die ihren Namen verdient, samt einheitlicher Ganztagesschule. Faymann ahnt aber, dass eine Koalition mit der ÖVP auch Abstriche in den Vorsätzen bringen wird: Die ÖVP wird sich die Zusammenarbeit teuer abkaufen lassen. Was die SPÖ ins Dilemma bringt: Die Funktionäre machen bereits Druck und wollen nicht hinnehmen, dass man der ÖVP inhaltliche Konzessionen macht.

Das Drohpotenzial auf SPÖ-Seite ist aber bescheiden. Faymann hat am Dienstag Klubchef Josef Cap beauftragt, Gespräche mit allen Parteien zu führen, auch mit der FPÖ, gleichzeitig aber ausgeschlossen, dass es mit der FPÖ eine Koalition geben könnte. Eine entsprechende Forderung einzelner SPÖ-Gewerkschafter, die meinten, man stünde der FPÖ sozialpolitisch näher als der ÖVP, erteilte die Partei am Mittwoch eine Abfuhr: "Ganz sicher nicht", erklärte Metaller-Chef Rainer Wimmer, Vorsitzender der größten Arbeitergewerkschaft "Pro-ge". Man dürfe "niemals auch nur daran denken, mit den Freiheitlichen in eine Regierungskoalition zu gehen". Zuvor hatten sich der Salzburger Arbeiterkammer-Präsident Siegfried Pichler, der steirische ÖGB-Chef Horst Schachner und andere Gewerkschafter zumindest für eine Annäherung ausgesprochen.

Auch am ideologischen anderen Ende der Partei, in der links ausgerichteten Sektion 8 der Wiener SPÖ, steht man einer Koalition mit der ÖVP kritisch gegenüber und fordert eine Urabstimmung. Die SPÖ stehe "mit dem Rücken zur Wand", sagt Niki Kowall, die Sektion 8 fordere von der SPÖ-Spitze "die innere Bereitschaft, prinzipiell auch in Opposition zu gehen". Sonst bestehe die Gefahr, dass die ÖVP "uns wieder bis auf die Unterhose auszieht". Kowall: "Hoffentlich erinnert sich Werner Faymann, dass Alfred Gusenbauer den Ausverkauf aller SPÖ-Positionen keine anderthalb Jahre überlebt hat." (völ, DER STANDARD, 3.10.2013)