Die Eruption des Samalas auf der indonesischen Insel Lombok war eine der gewaltigsten Explosionen in der jüngeren Geschichte. In seiner 50 Quadratkilometer großen Caldera befinden sich heute der See Segara Anak und ein neuer Kleinvulkan.

Foto: Céline M. Vidal

Die Folgen könnten buchstäblich weitreichend gewesen sein: So gehen britische Archäologen nach Analysen von mittelalterlichen Massengräbern davon aus, dass um das Jahr 1258 rund ein Drittel der Bevölkerung Londons dahingerafft wurde. Mittelalterliche Chroniken aus verschiedenen Teilen Europas berichten, dass es in diesem Jahr zu einem dramatischen Kälteeinbruch kam, zu verheerendem Dauerregen, Überflutungen und Missernten. Der Sommer 1258 war in weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre ausgefallen.

Doch was war schuld an diesem annus horribilis? Schon vor Jahrzehnten deuteten Bohrkernanalysen aus Grönland und der Antarktis auf einen gewaltigen Vulkanausbruch Mitte des 13. Jahrhunderts hin, der die gewaltigen Eruptionen des Krakatau 1883 und des Tambora 1815 bei weitem in den Schatten stellte. Hochgerechnet aus den konservierten Sulfatkonzentrationen schleuderte die Eruption so viele schwefelhaltige Partikel in die Atmosphäre wie keine andere in den letzten 7000 Jahren.

Seit Jahrzehnten suchen Forscher nach dem dafür verantwortlichen Vulkan. Bis zuletzt hatte es mehrere Verdächtige gegeben, die als Auslöser der mittelalterlichen Katastrophe infrage kamen. Darunter waren der El Chichón in Mexiko, der Fentale in Äthiopien und der Quilotoa in Ecuador. Doch nun dürfte ein internationales Forscherteam um den französischen Geowissenschafter Franck Lavigne (Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne) in Indonesien fündig geworden sein - nach einer Art "kriminalistischer Spurensuche", wie Lavigne in einem Interview sagte: "Wir hatten den Zeitpunkt der Tat und die geochemischen Fingerabdrücke, und das ermöglichte uns, den verdächtigen Vulkan einzugrenzen."

Eine erste konkrete Spur des mysteriösen Vulkanausbruchs fanden die Forscher in historischen Berichten aus Indonesien. Die auf Palmblättern und in Javanisch abgefasste Chronik "Babad Lombok" beschreibt, wie auf der indonesischen Insel Lombok der Berg Samalas ausbrach und einen hufeisenförmigen Krater hinterließ. Außerdem berichtet die Chronik, dass die Eruption die gesamte Umgebung verwüstete und auch Pamatan zerstörte, die Hauptstadt des Königreichs Lombok.

Das blieb natürlich nicht das einzige Beweismaterial, auf das sich die Forscher stützten: Nach der Entdeckung der Chronik verglichen sie unter anderem die Ablagerungen in der Umgebung des Vulkans mit den Bohrkernbefunden aus Grönland und der Antarktis. Demnach deuten sowohl der Schwefelgehalt als auch die Zusammensetzung der Ablagerungen um den Vulkan darauf hin, dass Samalas die Ursache der beispiellosen Katastrophe war.

Indizien erhärten den Verdacht

Die Geowissenschafter gehen in ihrem Aufsatz im Fachmagazin "PNAS" davon aus, dass der Samalas, der heute zum Vulkankomplex Rinjani auf der Insel Lombok zählt, alle Kriterien des "tatverdächtigen" Vulkans erfüllt. Der tropische Ort, die Größe der Caldera, der heute mehr als 50 Quadratkilometer groß ist, der Zeitpunkt der Eruption, ihre Stärke und die Übereinstimmung der Asche des Samalas mit vulkanischem Glas der Eisbohrkerne von Grönland und der Antarktis weisen auf diesen Vulkan als "Quelle des großen stratosphärischen Staubschleiers Mitte des 13. Jahrhunderts hin", resümieren die Forscher.

Auch den genauen Ausbruchszeitraum bestimmten sie: Irgendwann zwischen Mai und Oktober 1257 muss der Samalas explodiert sein. Dabei wurden mindestens 40 Kubikkilometer Gestein in die Atmosphäre geblasen. Die gewaltige Rauchwolke stieg vermutlich bis zu 43 Kilometer hoch auf.

Die Folgen vor Ort waren naturgemäß katastrophal. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass große Teile von Lombok, Bali und der westliche Teil von Sumatra für Generationen unfruchtbar und unbewohnbar gewesen sein dürften. Und die alte Hauptstadt Pamatan liege vermutlich irgendwo unter vulkanischen Ablagerungen begraben - als eine Art unentdecktes " Pompeji des Fernen Ostens".

Franck Lavigne, der seine Entdeckung bereits im vergangenen Sommer auf einer Tagung der Amerikanischen Geophysikalischen Union andeutete, ohne das Geheimnis zu lüften, sieht auch den Zusammenhang mit dem Massensterben in London um 1258: "Wir können zwar nicht sicher sagen, dass die beiden Ereignisse zusammenhängen. Aber die Bevölkerung war dadurch ganz sicher stark beeinträchtigt." (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 2.10.2013)