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Die Wahlbeteiligung liegt bei den Jüngsten fast so hoch  wie im Durchschnitt.

Foto: vonusslar/apa

Die Jugend steht wieder einmal im Gegenwind. Stramme Böen zerren am wackeligen Plakat, bunte Folder wirbeln über den Asphalt, doch kaum jemand kommt vorbei, der sich für sie bücken will. Ein Wochentag um zehn Uhr, das schwant den drei Zettelverteilern nach ein paar Minuten, ist kein idealer Termin, um ihre Zielgruppe zu ködern. Die Zahl der Schulschwänzer hält sich offenbar in engen Grenzen.

David Neuber mustert die Passanten, die am Stand vor dem Museumsquartier vorbeikommen. Zielstrebig steuert der 26-Jährige, der - obwohl von der katholischen Jugend - einen Buddha am Parka trägt, jedes junge Gesicht an, ein Plädoyer für die Wahlteilnahme auf den Lippen. Sehr erfolgreich, das gibt Neuber zu, ist er nicht. Auf dem Gros der 200 Broschüren mit den politisch ungefärbten Wahlinfos bleibt er sitzen.

Rückschläge sind die Aktivisten von der Bundesjugendvertretung gewöhnt. Lobby für Bürger unter 30 will die überparteiliche Organisation sein, kann von Einfluss wie die Seniorenvertreter aber nur träumen. Auch im Wahlkampf wurden die Jungen, wie der Vorsitzende Neuber sagt, "wie immer eher ignoriert". Zwar wurden Themen wie Bildung und Jugendarbeitslosigkeit angesprochen, doch wer nur in den TV-Nachrichten auftrete, kommuniziere an der Klientel vorbei. Das grüne "Eva"-Heft fiel ihm als eine der wenigen gezielten Bemühungen auf.

Dabei gibt es eine besondere Wählergruppe zu umschwärmen: Österreich ist das erste Land Europas, das bereits Bürgern ab 16 Jahren das bundesweite aktive Wahlrecht einräumt. Die 348.000 Personen, die heuer zum ersten Mal ihre Stimme abgeben, stellen gerade drei Prozent des Elektorats, trotzdem fallen Wahlforscherin Eva Zeglovits gute Gründe ein, Premierewählern besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Schließlich könnten Parteien darauf hoffen, eine erste Saat für dauerhafte Sympathien zu säen: Es falle Wählern leichter, etwas zu wiederholen, als etwas Neues zu wagen. Motivierbar ist diese Gruppe obendrein. Anhand von Analysen der Wiener und Kremser Lokalwahlen fand Zeglovits heraus, dass die Wahlbeteiligung bei den Jüngsten fast so hoch liegt wie im Durchschnitt. Erst ab Anfang 20 rasselt die Quote in den Keller, was die Expertin mit den Umbrüchen in diesem Alter erklärt: Wer aus dem gewohnten Umfeld von Eltern und Schule gerissen wird, um ein eigenständiges Leben zu starten, sei sich über die eigenen Interessen oft nicht im Klaren - und pfeife deshalb aufs Wählen.

Weil das Wahlalter erst vor sechs Jahren gesenkt wurde, gibt es noch wenige Erfahrungswerte. Anders als bei diversen Befragungen unter Jungwählern, war die ÖVP laut Sora-Institut bei der Wahl 2008 stärkste Partei unter Erstwählern. Eine mögliche Erklärung ist die immer noch starke Organisation auf dem Land: Keine andere Partei stellt mehr Bürgermeister, die für die Jüngsten Identifikationsfiguren darstellen können.

Auch die 17-jährige Elisabeth hat lange zu den Schwarzen gehalten. Die Junge ÖVP ist in ihrem Heimatdorf, einem Vorort von Steyr, sehr umtriebig, der Vater als Bauer treuer Wähler. Doch im Laufe des Wahlkampfs kamen der Hak-Schülerin Zweifel, ob die Vizekanzlerpartei die Interessen einer jungen Frau, die nach der Matura nicht studieren, sondern im Sozialbereich arbeiten will, vertritt: "Und der Supersympathikus ist der Spindelegger nicht."

Allerdings haben die Alternativen ebenso einen Haken. Elisabeth findet gut, dass sich die Grünen für erneuerbare Energie einsetzen, aber können sich das auch einfache Leute leisten? "Bei uns geht ohne Auto gar nichts", sagt die Viertklässlerin und erwägt, einen leeren Stimmzettel einzuwerfen, denn die FPÖ komme wegen Ausländerfeindlichkeit nicht infrage. Aber eines muss sie zugeben: "Überzeugend ist Strache schon. Er sagt klipp und klar, was er will, während Faymann und Spindelegger oft ausweichen."

Offenbar denken viele andere junge Leute ähnlich. In aktuellen Umfragen schneiden die Gegenpole FPÖ und Grüne stark ab. Eine weitere Konstante in den Studien lautet: Nicht die Politik an sich nervt, sondern die Art, wie sie altvatrische Politiker betreiben.

Die Bundesjugendvertretung hat die Probe aufs Exempel gemacht und die Spitzenpolitiker auf der Homepage www.29913.at einem Jugendcheck unterzogen - mit teils unerwarteten Resultaten. Auf die Frage "Als ich 16 Jahre alt war, wollte ich ..." antworteten die äußerlich grauen Kandidaten Michael Spindelegger ("... das Tennismatch am Wochenende ganz sicher gewinnen") und Mirko Messner ("... Ruhe vor meinen Lehrern") erfrischend authentisch, während Strache im besten Altpolitikerstil behauptete: "Für eine positive Zukunft Österreichs arbeiten."(Gerald John, DER STANDARD, 28.9.2013)