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Schnell, diskret, unbürokratisch: Verpfändung macht Wertvolles zu Geld. Der Bedarf steigt quer durch alle Gesellschaftsschichten.

Foto: APA/Gindl

Wien - Eigentlich ist es für Österreich ein Armutszeugnis, sagt Michaela Wiener. Neben vielen jungen Kunden sieht sie immer mehr Pensionisten in ihren Filialen, die Wertsachen zu Geld machten. Oft gehe es gerade einmal um 50, 100 Euro, für die die Rente zu Monatsende nicht mehr ausreiche.

Wiener machte sich vor gut drei Jahren mit der Cashbox im Pfandverleih selbstständig. Anders als viele ihrer Branchenkollegen verbirgt sich der Betrieb nicht hinter verklebten Schaufenstern in abgelegenen Hinterhöfen. Dennoch sei der Schritt hinter die Türschwelle für viele Kunden nicht einfach.

Junge Klientel verpfändet bei ihr Elektrogeräte, in der Hoffnung, diese, sobald man finanziell flüssiger ist, auslösen zu können. "Es geht hier um kleine Beträge, ist ein mühsames, aber interessantes Geschäft." Immer wieder suchten sie auch Unternehmer mit ihrem privaten Schmuck oder Firmenautos auf. Viele litten unter der schlechten Zahlungsmoral der Kunden - gerieten selbst in finanzielle Engpässe, scheuten aber den Weg zur Hausbank. Diskretion zählt eben.

Gnadenfrist für Hab und Gut

Sie haben bis zu fünf Monate Gnadenfrist. Dann wird das Pfand verkauft oder versteigert. 90 Prozent der Österreicher schaffen es, ihr Hab und Gut rechtzeitig auszulösen, erzählen Kreditgeber.

Pfandleihe ist ein jahrtausendealtes Geschäft mit vielen Gesichtern. Einen Ort der Not und Demütigung nennen es die einen, rasche unbürokratische Alternative zum traditionellen Kreditwesen die anderen. Rezession, restriktive Banken und der hochfliegende Goldkurs haben der Branche in den vergangenen Jahren international starken Auftrieb verliehen. Allein in Deutschland zahlt sie jährlich Kredite von mehr als 620 Millionen Euro aus, rechnet der entsprechende Zentralverband vor.

In Großbritannien eröffnet fast jede Woche eine Handvoll neuer Anbieter. Knapp 2200 soll es ihrer bereits geben, viele mit Fokus auf - zumindest lange Zeit - betuchte Klientel, die mitunter auch Luxuskarossen und Picassos belehnt.

Verpfändet wird auch in Österreich quer durch sämtliche Gesellschaftsschichten. "Was alle vereint, sind kurzfristige Liquiditätsengpässe", sagt Andreas Wedenig, Experte des Dorotheums, das sich mit seinen 300 Jahren unter die ältesten Pfandleihanstalt in Europa reiht und auf Schmuck und Kunst spezialisiert ist. Für wirklich arme Menschen ist sein Haus keine Auflaufstelle, zumal diese kaum mehr über Wertvolles verfügten. Meist fänden die Mittelschicht und junge Unternehmer den Weg dorthin, um sich in wenigen Minuten einige tausend Euro zu beschaffen.

An schwarzen Schafen fehlt es nicht. Das Pfandkreditgewerbe ist in Österreich seit zwölf Jahren frei und unreglementiert - anders als etwa in Ungarn, wo es Bankenkonzessionen dafür bedarf. Eine Geschäftsordnung und Meldung an die Behörde genügen, um loszulegen. Seither seien Autopfandhäuser wie Schwammerln aus dem Boden geschossen, sagt Wedenig. Auch Wiener beobachtet ein Kommen und Gehen von Anbietern, die den Ruf der Branche mit unseriösen Gebühren beschädigten.

Konsumentenschützern ist das bunte Treiben abseits der etablierten Betriebe seit Langem ein Dorn im Auge. Die effektiven Kosten der Pfandleihe seien im Vergleich zu Privatkrediten und Kontoüberziehungen enorm, sagt Arbeiterkammer-Experte Christian Prantner - "die Geschäftsordnungen blühen vor unverständlichen Klauseln."

Es gehe zwar vielerorts nur um kleine Summen von wenigen hundert Euro mit einer durchschnittlichen Laufzeit von drei Monaten. Zinsen, Halbzinsen, mögliche Zusatzkosten von Platz- bis Bewertzungsgebühren ließen Kunden jedoch über den tatsächlichen Preis für ihr Pfand oft im Unklaren. Das Verbraucherschutzgesetz deckt diverse Geschäfte nicht ab.

Mehr Transparenz

Die Arbeiterkammer fordert für das Pfandkreditgewerbe gesetzliche Rahmenbedingungen: Informationen über Zinssätze und Zusatzbelastungen gehörten ebenso transparent gestaltet wie es auch bei Bankkrediten üblich sei.

Dass die Branche gern als Bühne für Diebsgut und Hehler dient, weisen Wedenig und Wiener entschieden zurück. Ausweispflichten, Vorlage von Originalrechnungen und öffentliche Ausstellungen wie Auktionen sorgten dafür, dass das Gut nicht in dunklen Kanälen versickere. Die Behörde informiere im Übrigen über gestohlene Autos oder Schmuck.

Wiener will mit ihrer Cashbox über Franchisenehmer österreichweit expandieren. Im höherpreisigen Segment bahnt sich Konkurrenz aus Ungarn an: Die Lombard Kft. eröffnet mit Kézizálog bis Jahresende in der Wiener Innenstadt ihre erste Auslandsniederlassung. Eigentümer Péter Biró will diese, wie er dem Standard erläutert, auch als Verkaufsfiliale für teure Pretiosen nutzen. Auch wenn Biró ungern von einem Boom spricht - das Geschäft der Pfandhäuser erlebt in Ungarn traurige Rekorde.

Familien nahmen hohe Kredite in Schweizer Franken oder Euro auf, die sie nach dem Verfall des Forint nicht mehr zurückzahlen können. Das Dorotheum ist mit 35 Filialen in Ungarn vertreten. Biró nennt einen Marktanteil von rund 35 Prozent sein Eigen. Über eine Anleihe will er weiter wachsen und denkt über Standorte in Graz und Salzburg nach. Die Tradition des Verpfändens sei in Österreich schließlich hoch. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 28.9.2013)