Dort, wo die Luft dünn ist und der Schnee normalerweise ewig und weiß, taucht ein blutrünstiges Wesen aus einer anderen Welt auf: Tanja (Edita Malovcic) und Janek (Gerhard Liebmann).

Foto: Allegrofilm

Wien – Nicht nur in einem Land der Berge, wie Österreich eines ist, lassen Politiker sich gern in der dünneren Luft fotografieren. Gipfelsiege oder Almbesuche sind, ist erst der Schweiß weggeschminkt, gute Foto-Opportunitäten. Für einen jungen Regisseur wie Marvin Kren wiederum sind solche Anlässe das perfekte Ausgangsmaterial, um damit seinen Spaß zu treiben.

In Blutgletscher macht sich eine Ministerin namens Bodicek (Brigitte Kren) auf den Weg zu einer wissenschaftlichen Station am Rande des einstmals "ewigen" Schnees. Sie wird von einem fotogenen Alpenfex namens Bert Krakauer begleitet, eine hübsche Anspielung auf den Bestsellerautor Jon Krakauer, dessen Buch In eisige Höhen zu den Klassikern der Everest-Literatur zählt. Frau Bodicek möchte gern den Forschungsstandort Österreich an einem besonders exponierten Punkt aufsuchen, doch leider hat sie einen ungünstigen Zeitpunkt gewählt: Dort, wo das Klima gemessen werden soll, geht etwas nicht mit rechten Dingen zu.

Das erste Indiz für gröbere Veränderung ist gleich das visuell stärkste des ganzen Films, der an dieser Stelle seinen Titel wortwörtlich einlöst. Ein Bild für die Ewigkeit, zugleich eine Neudeutung der österreichischen Flagge. In einer Höhle kommt es zu einer Begegnung mit einem zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau ausnehmbaren Wesen, das unverkennbar nicht von da ist (also entweder eine Art Alien oder ein anderes Ding aus einer anderen Welt sein muss), auch wenn Janek, der Alpinist unter den Wissenschaftern, anfangs von einem "tollwütigen Fuchs" spricht. Der Fuchs nimmt nachher noch ungeahnte Ausmaße und Gestalten an.

Vor drei Jahren machte Marvin Kren mit Rammbock auf sich aufmerksam, einer bemerkenswert professionell aussehenden Low-Budget-Produktion, in der in Berlin eine Zombie-Plage ausbrach. Das war ein ernsthafter Versuch, einem ehrwürdigen Genre neue Aspekte abzugewinnen, halb Hommage, halb Innovation. Bei Blutgletscher geht Kren nun etwas anders mit dem Genre um, das in diesem Fall mit den Eckpunkten The Thing und Alien in etwa als Science-Fiction-Schocker zu definieren wäre. Blutgletscher ist eine Parodie, ein herrlich ungenierter "spoof", bei dem die Schauspieler wohl ziemlich häufig vor einem Blue Screen entsetzliche Grimassen schneiden und erbarmenswert schreien mussten – denn ihre Bedrohung kommt aus der Welt der Spezialeffekte.

Nationalheiligtum Schnee

Das Genrekino ist immer in der privilegierten Lage, ohne den Druck der "hohen" Kunst von ernsthaften Dingen sprechen zu können. So ist es auch bei Blutgletscher: Das nationale Heiligtum Schnee (das ohnehin bereits häufig aus der Kanone kommt) wird hier gründlich und immer wieder sehr witzig entweiht, wobei der derangierte Held Janek (Gerhard Liebmann) eine perfekt zweideutige Identifikationsfigur abgibt. Die Alpen, wie Kren sie filmt, werden zu einem Menetekel: Sie sind nicht mehr weiß, und auch nicht grün, sondern grau. Ein steinernes Meer, in dem nur die tollwütigsten Füchse überleben. Und die härtesten Politiker. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 28./29.9.2013)