Für 112 Millionen Dollar (netto, exkl. Sotheby's-Provision) wanderten Gustav Klimts "Wasserschlangen II" dem Vernehmen nach Doha (Katar) ab. Den Erlös teilen sich die bisherige Besitzerin Ursula Ucicky und die Erben nach Steiner.

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Am 14. Juli traf sich im Klimt-Verein am Attersee eine illustre Gesellschaft: darunter LH Josef Pühringer (m.), rechts von ihm Klimt-Duo Andreas Nödl (Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied der Leopold Museums Privatstiftung). Sandra Tretter (2.v.re.), damals (bis Anfang August) noch Kuratorin am Leopold Museum, nunmehr Geschäftsführerin der neu gegründeten "Gustav Klimt / Wien 1900" Privatstiftung.

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"Die Braut" (1917/18): das letzte Gemälde Gustav Klimts blieb unvollendet und befindet sich seit 1963 als Dauerleihgabe im Belvedere. Der neue Eigentümer: Die von Ursula Ucicky gegründete "Gustav Klimt / Wien 1900" Privatstiftung.

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"Großer Bahnhof für Gustav Klimt" lautete das Motto am 14. Juli dieses Jahres: Im mit "Leopold Museum" beschilderten Nostalgiesonderzug reiste eine prominente Delegation von Linz nach Kammer am Attersee. Dorthin hatten der Tourismusverband und der Verein "Klimt am Attersee" zu einem Fest geladen: Zu feiern galt es den ersten Geburtstag des Klimt-Zentrums und den 151. Gustavs. Die Marktmusik Schörfling spielte auf, und LH Josef Pühringer fand lobende Worte für das regionalwirtschaftliche Vorzeigeprojekt.

Mit von der Partie: vier Vorstandsmitglieder der Leopold-Museum-Privatstiftung, der kaufmännische Direktor Peter Weinhäupl und (dessen Lebensgefährtin) Sandra Tretter, bis Anfang August Kuratorin ebendort. Andreas Nödl, Vorstandsmitglied und Rechtsanwalt, gab das Klimt-Double, ausgerüstet mit Strohhut, Malerkittel - und einem unscheinbar wirkenden Originalkoffer. Um die ideelle Bedeutung ebendieses Accessoires wussten damals nur Eingeweihte.

112-Millionen-Dollar-Deal

Hinter den Kulissen der Öffentlichkeit und abseits des Alltags im Leopold-Museum hatte zu diesem Zeitpunkt ein spektakulärer Deal seinen Höhepunkt erreicht, von dem Anfang der Woche Details bekannt wurden. Gustav Klimts Wasserschlangen II waren über einen von Sotheby's vermittelten Private Sale verkauft worden (siehe der Standard, 24. 9.). Davon profitiert mit Ursula Ucicky nicht nur die bisherige Eigentümerin. Aber der Reihe nach.

Das Gemälde stammt aus dem Besitz der jüdischen Industriellenfamilie Steiner, deren Vermögen von den Nazis beschlagnahmt worden war. Im März 1940 sollte es im Dorotheum versteigert werden, musste jedoch auf Veranlassung Baldur von Schirachs zurückgezogen werden. Der Wiener Reichsstatthalter vermittelte es stattdessen an Gustav Ucicky, einen der führenden Filmregisseure der NS-Zeit.

Dem Vernehmen nach wanderten die Wasserschlangen nach Doha ab und wären dort in guter Gesellschaft: in der Sammlung Sheikha Al-Mayassas, der Tochter des Emirs von Katar, befinden sich Kaliber wie Mark Rothkos White Center (Yellow, Pink and Lavender on Rose), 2007 für 72,8 Millionen bei Sotheby's ersteigert, oder Cézannes Kartenspieler, für die vergangenes Jahr 250 oder auch 300 Millionen Dollar geflossen sein sollen. Insofern gab es die Wasserschlangen deutlich günstiger.

Die über den Privatverkauf lukrierten 112 Millionen Dollar netto (exklusive Provision für Sotheby's), gingen zu je 56 Millionen an die Erben nach  Steiner und an die Witwe. Am 9. September gründete die 91-Jährige - im Büro Andreas Nödls - die "Gustav Klimt / Wien 1900" -Privatstiftung und berief Peter Weinhäupl und Sandra Tretter als Vorstände auf Lebenszeit. Vorweg, auch wenn es den Anschein hat: Mit dem Leopold- Museum hat diese Stiftung nichts zu tun. Sowohl Elisabeth und Diethard Leopold als auch Tobias Natter erfuhren davon erst Anfang der Woche über die Medien.

Offener Felsövany-Fall

Einen Interessenkonflikt zwischen seinen Funktionen, sieht Weinhäupl, wie er am Dienstag in einer Pressekonferenz verlautbarte, nicht. Dazu übe er diese Tätigkeit ehrenamtlich aus, wie er den STANDARD kurz vor Redaktionsschluss wissen ließ. Tobias Natter, museologischer Direktor des Leopold-Museums, sieht das etwas anders: "Hier werden viele Fragen aufgeworfen, mit denen sich der Vorstand der Leopold-Privatstiftung beschäftigen müssen wird", ist er überzeugt.

Das Büro der neu gegründeten Stiftung befindet sich jedenfalls in unmittelbarer Gehweite: Breite Gasse 4. Nein, nicht das Glacis-Beisl, sondern im gleichen Gebäude vor kurzem angekaufte Büroräumlichkeiten, wie Nödl bestätigt. Als Zweck nennt die Urkunde einerseits die Bewahrung des "von Gustav Klimt und in Wien um 1900 hinterlassenen kultur- und kunsthistorischen Erbes". Und andererseits die Dokumentation und wissenschaftliche Aufarbeitung des Nachlasses von Gustav Ucicky, der nach Kriegsende für Heimkehr (1941), "den schlimmsten Propagandaspielfilm der Nazis" (© Elfriede Jelinek), mit Arbeitsverbot belegt worden war.

Die Finanzierung dieser Vorhaben dürfte keine Schwierigkeit sein. Das Vermögen der Stiftung ist zudem weit umfangreicher, als in dem öffentlich einsehbaren Dokument aufscheint. Die Details dazu finden sich in der nichtöffentlichen Nachstiftungsurkunde.

Neben Bargeld in zweistelliger Millionenhöhe ist dort auch der "unveräußerliche Kernbestand" an Klimt-Kunstwerken angeführt, die Ursula Ucicky von ihrem Mann erbte. Dazu gehört auch das eingangs erwähnte Reiseaccessoire von Nödl. Dazu gehört weiters das "belastete" und von Experten auf etwa 25 Millionen Dollar geschätzte Porträt Gertrude Loew (Felsövany), um das sich Ernst Ploil namens seines Mandanten seit Monaten bemüht.

Über eine PR-Agentur lässt Weinhäupl ausrichten, dass noch im Herbst Ergebnisse der Provenienzforschung vorliegen sollten, die "dann Grundlage für Verhandlungen mit den Erbenvertretern sein wird". Nödl rechnet mit einem Ergebnis in den nächsten sechs bis acht Wochen.

Und ebenso darf die Stiftung über die seit 1963 als Leihgabe an das Belvedere verliehene Braut (1917/18) verfügen, das allerletzte und unvollendet gebliebene Werk Klimts. Und das wichtigste, weil wertvollste Asset: Über den Leihverkehr könnte das Gemälde je Ausstellung zwischen 150.000 und 300.000 Euro abwerfen.

Theoretisch. Praktisch ist das eine völlig andere Geschichte, und es bedürfte dafür jedenfalls einer temporären Reisebewilligung seitens des Bundesdenkmalamtes. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 28./29.9.2013)