Guillaume de Fondaumière präsentierte auf der vergangenen Game City das Spiel "Beyond: Two Souls".

Foto: Jakob Polacsek / Sony PlayStation

Ellen Page spielt die Protagonistin, eine Teenagerin mit übernatürlichen Kräften. An ihrer Seite mimt Willem Dafoe den besorgten Psychiater. 

Foto: Jakob Polacsek / Sony PlayStation

Mit Spielen wie "Fahrenheit" und "Heavy Rain" hat sich das französische Studio Quantic Dream einen Namen als Innovator gemacht. Mit dem im Oktober erscheinenden Mystery-Thriller "Beyond: Two Souls" rücken die Entwickler abermals die erzählerischen Aspekte in den Vordergrund und weichen von konventionellen Spielkonzepten ab. Interaktivität wird ein Mittel zum Zweck, die Entscheidungen das zentrale Element. Eine Idee, die mit "Heavy Rain" (2010) ein Millionenpublikum erreichte und auch Nichtspieler vor die Konsole holte.

Im Rahmen der Game City in Wien sprach Zsolt Wilhelm mit Geschäftsführer und Co-CEO Guillaume de Fondaumière über den Stellenwert von Games, die Technologie der nächsten Konsolengeneration, die exklusive Partnerschaft mit Herausgeber Sony und die Frage, was Spielentwickler von der Filmbranche lernen können.

derStandard.at: "Heavy Rain" und "Beyond" sind sehr ungewöhnliche Spiele, die von traditionellen Gameplay-Modellen abweichen, ihren Fokus auf die Geschichte richten und das Medium Games damit neuen Zielgruppen zugänglich machen. Wo befinden sich Videospiele heute kulturell gesehen?

Fondaumière: Games stecken noch in den Kinderschuhen. Videospiele gibt es seit 30 Jahren, und ich glaube, es braucht noch viele Werke, bis Spiele kulturell anerkannt werden. Solange die Branche weiter die gleichen Shooter und Kriegsspiele produziert, wird es keine Entwicklung geben.

derStandard.at: Was bringt die neue Konsolengeneration für Spiele und die Branche?

Fondaumière: Sie macht den Einstieg in die Spielentwicklung leichter. Die PS4 ist wie ein großer PC. Dadurch können heute Konsolen-Games von Teams mit vier bis fünf Leuten gemacht werden. Zu Beginn der PS3 und Xbox 360 war das nicht möglich. Außerdem denke ich, dass das Spielen miteinander stark von den neuen Plattformen profitieren wird. Die soziale Vernetzung ist viel stärker als früher.

derStandard.at: Es ist auch immer die Rede von stärkerer Hardware. Ist das nebensächlich?

Fondaumière: Technik ist per Definition vergänglich ...

derStandard.at: Vor ein paar Jahren waren Motion-Games und 3-D ein großes Thema.

Fondaumière: Das ist jetzt tot.

derStandard.at: Quantic-Dream-Gründer David Cage - wie spricht man seinen Namen eigentlich aus? Er ist ja Franzose ...

Fondaumière: Egal, es ist nicht sein echter Name.

derStandard.at: Nun, Cage meinte, die Technik helfe, Spiele emotionaler zu machen.

Fondaumière: Es ist nicht der einzige Weg, aber mit besserer Technologie können wir schönere Grafik erzeugen. Das ist eine enorm effiziente Methode, um Spiele ausdrucksstärker zu machen. Wir sprechen immer über Emotionen und Inhalte, aber auch wir nutzen enorm viel Technik.

derStandard.at: Wie viel Technik steht hinter einem Spiel wie "Beyond"?

Fondaumière: Durchschnittlich arbeiteten 150 Menschen daran. Etwa 40 waren für die Technik zuständig, der Rest sind Kreative, Designer, Modeler.

derStandard.at: Dass Technologie nicht alles ist, zeigen boomende Kleinprojekte. Wie wichtig sind Indie-Games für das Medium?

Fondaumière: Sehr wichtig. Sie bringen frischen Wind in die Branche. Und es ist gut, dass das auch die Publisher erkannt haben. Sony hat sehr viel getan, um Indie-Developer zur PS4 zu holen, und es muss weiter Unterstützung und Geld für diese Studios geben. Sie treiben die Innovation voran.

derStandard.at: Aber nicht nur auf Konsolen ...

Fondaumière: Natürlich nicht. Wir spielen heute überall. Auf dem Mobile, und in Zukunft werden wir auf dem Fernseher ohne Konsole spielen. Aber ich hoffe, dass die Indies durch die neue Hardware ihren Weg zurück zu den Konsolen finden werden.

derStandard.at: Sie sehen sich selbst nicht als AAA-Studio. Vor "Heavy Rain" waren Sie auf der Suche nach einem Herausgeber. Weshalb wurde es Sony und nicht Microsoft oder ein anderer großer Herausgeber?

Fondaumière: Ich werde diese Frage positiv beantworten. Phil Harrison (ehemals Sony, jetzt Microsoft, Anm.) hat uns das Gefühl gegeben, dass er unsere Idee versteht und verstanden hat, wohin wir wollen. Und acht Jahre später ist es noch immer so, dass Sony uns bei jeder neuen Idee sagt: "Erzählt uns mehr!"

derStandard.at: Ist es nach wie vor schwer, einen großen Publisher von einer ungewöhnlichen Idee zu überzeugen?

Fondaumière: Ja. Es ist eine sehr schwierige Industrie. Die Top-15-Spiele machen Geld, alle anderen sind nicht profitabel. Die Bereitschaft, Risiken einzugehen, ist daher klein. Dabei ist Risiko wichtig, denn ohne Risiko bleibt der Markt stehen.

derStandard.at: Quantic Dream gilt als sehr eigenwilliges Studio. Wie sehr beeinflussen Journalisten und Spieler die Arbeit?

Fondaumière: Wir hören gut zu. Das Feedback nehmen wir ernst. Aber wir machen schon während der Entwicklung Spieltests, um uns nachher nicht Kritik anhören zu müssen.

derStandard.at: Was planen Sie für das nächste Spiel? Wieder ein Adventure wie "Heavy Rain" und "Beyond"?

Fondaumière: Das darf ich nicht sagen. Aber es würde mich wundern, wenn wir wieder das Gleiche machen ...

derStandard.at: Für "Beyond" haben Sie mit Ellen Page und Willem Dafoe zusammengearbeitet. Was kann die Games-Branche von Filmen lernen?

Fondaumière: Viel. Die Filmbranche ist 130 Jahre alt. In Sachen Inszenierung, Cinematografie, Geschichtenerzählung kann sie uns viel beibringen. Auf der anderen Seite haben wir das Know-how über Interaktivität. Wir können beide voneinander lernen.

derStandard.at: Weshalb werden in der Games-Branche die Talente nicht genauso gefeiert wie in der Film- und Musikszene? Bei großen Filmen kennt man jeden Produzenten, Schauspieler, Regisseur beim Namen. Spielentwickler mit Starcharakter gibt es wenige.

Fondaumière: Das liegt einerseits an der Vielschichtigkeit der Werke. Oft gibt es nicht den einen Mann, viele Menschen sind an der Produktion beteiligt. Andererseits haben wir das Problem, dass in der Videospielbranche nach wie vor zu viele Produkte und zu wenige Kunstwerke erzeugt werden. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 30.9.2013)

Video: "Beyond: Two Souls"