Die Kleidungsvorschrift als Chance, Grenzen zu übertreten: Schülerinnen und Schüler der katholischen Wiener Privatschule St. Ursula.

Foto: derstandard.at/Katrin Grabner

"Unsere Eltern haben sich dafür entschieden, dass wir leiden müssen", sagt Arya ironisch. Er ist Schüler an der Privatschule St. Ursula im 23. Wiener Gemeindebezirk. In der Kleiderordnung des Hauses ist vorgegeben, was die Schüler im Unterricht tragen dürfen: Erlaubt sind dunkelblaue knielange Röcke oder Hosen, hellblaue Blusen oder Poloshirts sowie dunkelblaue Jacken und Pullover. Zu feierlichen Anlässen müssen die Schüler ihre Festtagskleidung anziehen. Weißes Hemd oder Bluse weicht dann den hellblauen Blusen und Poloshirts. Dazu tragen die Schüler und Schülerinnen ein Halstuch oder eine Krawatte, beides wird im Schulshop um rund 22 Euro verkauft.

Nach dem anfänglichen Schreck "Oh Gott, alles blau" habe er sich mittlerweile an die Kleiderordnung gewöhnt, sagt Arya. "St. Ursula wäre nicht St. Ursula ohne Schuluniform und Hausschuhe. Wir wollen uns doch unterscheiden von anderen Schulen." Auf Hausschuhen wird allerdings nur im Herbst und Winter bestanden.

Auffällige Frisuren sind tabu

St.-Ursula-Schulen sind katholische Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht. Im 23. Wiener Gemeindebezirk gibt es sowohl eine Volksschule, als auch eine Kooperative Mittelschule und eine AHS dieser Art. In ein und demselben Gebäude befinden derzeit neun Volksschulklassen, vier Klassen einer Kooperativen Mittelschule und 25 Klassen der AHS. Die spezielle Kleiderordnung liegt in der Tradition der katholischen Schule, die es in Wien seit 1660 gibt.

Regeln, die auf keinen Fall gebrochen werden dürfen, bestehen an der Schule einige: Auffällige Frisuren, Piercings und Kopfbedeckungen sind tabu. Bei Mädchen wird besonders darauf geachtet, dass sie sich nicht zu stark schminken. Ärmellose T-Shirts sind auch im Sommer nicht erlaubt. Und der Rock sollte über das Knie reichen, denn: Zu viel nackte Haut ist an der katholischen Privatschule unerwünscht.

Jogginghosen werden nur im Turnunterricht toleriert. Die Meinung einer Innsbrucker Direktorin, dass Jogginghosen an einer Schule nichts verloren hätten, teilen die Schüler der 8 B. "Die Schule soll auf das spätere Leben vorbereiten, und mit einer Jogginghose zu einem Vorstellungsgespräch gehen geht ja nicht", sagt Schülerin Teresa.

"Marken tauchen immer auf"

Der klassische Sinn einer Schulkleidung, die sozialen Unterschiede zu überdecken, hat laut Direktor Heinz Kribbel "noch nie funktioniert", denn "Marken tauchen immer auf". Auch für die Schüler ist klar: "Jeder trägt trotzdem Marken." Teresa wünscht sich deshalb noch striktere Kleidungsvorschriften "und nicht dieses Mittelding".

In der Volksschule und der Unterstufe werde strenger darauf geachtet, dass die Kleidungsvorschriften eingehalten werden, sagt Arya. "Den meisten Lehrern ist es dann einfach zu blöd." Einmal im Jahr, am "Casual Day", dürfen die Schüler von St. Ursula gegen eine Spende von einem Euro auch Alltagskleidung in allen Farben anziehen. Das Geld wird dann für karitative Zwecke verwendet.

Das Ziehen von Grenzen sei der zentrale Punkt von Kleidervorschriften an der Schule, sagt Direktor Kribbler. "Die Kunst der Erziehung besteht darin, dass der Erwachsene die Grenzen so setzt, dass die Überschreitung niemandem etwas tut." Als Direktor, früherer Lehrer und Vater wisse er, dass Kinder Grenzen brauchen, "aber auch oft die Revolte gegen die Erwachsenen". Daher sei es wichtig, Grenzen zu schaffen, die übertreten werden können, ohne dass es dem Kind oder dem Erwachsenen schadet: "Schulkleidung ist ein wunderbares Mittel, diese pädagogische Aufgabe zu erfüllen." (Katrin Grabner, derStandard.at, 27.9.2013)