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Cara Delevingne für Chanel im Jänner 2012...

Foto: ap/brinon

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...im März 2013...

Foto: reuters/platiau

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...und im Mai 2013.

Foto: reuters/su

Für Burberry im September 2012...

Foto:

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...und im September 2013.

Foto: EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA

Cara Delevingne in der Kampagne für Mulberry.

Foto: Mulberry

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Foto: Vitra/Bettina Matthiesen

Es gibt wohl kaum ein Model, das im Moment so vielen auf die Nerven geht. Die Britin Cara Delevingne ist 21 und ihr Gesicht gerade überall. Sie lief in der letzten Saison 40 Laufstegshows, sackt eine Kampagne nach der anderen ein, lächelt von den Titelseiten der Modemagazine. Selbst die breite Masse kennt das Model, das so gerne Grimassen schneidet, wenn es mit dem iPhone spielt. Soeben landete Delevingne in einem Ranking des London Evening Standard auf Platz 20 der 1000 einflussreichsten Persönlichkeiten Londons.

In den letzten Jahrzehnten besaß fast jede Dekade ihre Symbolfigur, die Schönheit aufs Neue definierte. In den Sechzigern war es die streichholzdünne Twiggy mit den Klimperwimpern, in den Achtzigern die perfekt gekurvte Cindy Crawford mit dem Leberfleck, in den Neunzigern kam die kleine Kate Moss mit den schiefen Zähnen daher. Jetzt schwingt die burschikose Cara Delevingne das Zepter. Warum bloß?

Mit nackten Zahlen kommt man in diesem Fall nicht weiter. Die Britin, 1992 in London geboren, ist mit 1,76 Metern verhältnismäßig klein für ein Laufstegmodel. Die 50 Kilogramm, die sie auf die Waage bringt, unterscheiden sie nicht großartig von der Konkurrenz. Und dennoch: Die 21-Jährige ist kein osteuropäischer Modelroboter, kein Retortenbaby aus der Castingshow, ganz im Gegenteil.

"Wild und wollig"

Cara kommt aus gutem Haus, sieht aber, wenn man so will, überhaupt nicht danach aus. Sie twittert, was das Zeug hält, ist ein echter Partytiger. "Ich gebe mir immer Mühe, die Leute mit guter Laune anzustecken – ich springe rum, tanze und singe", erzählte sie dem Magazin Interview vor einigen Monaten. Und: sie verfügt über die zwei angesagtesten Augenbrauen im Modebusiness.

Diese haben sie in die oberste Liga katapultiert: Statt zweier kunstvoller Rundbögen à la Marlene Dietrich sitzen bei Delevingne zwei selbstbewusste Brauen im Gesicht. "Wild und wollig", gab sie zu Protokoll, sollten die wachsen. An ihnen hängt ein Gutteil ihres Image. Cara gilt als Wildfang, der ab und an den Kobold gibt.

Die markanten Brauen mögen unverwechselbar sein, das Äußere der Britin ist dafür umso anpassungsfähiger. Tim Walker setzte Cara Delevingne gerade mit einer Handvoll Eulen und Handtaschen für die Kampagne von Mulberry surreal in Szene. Warum Cara den Auftrag bekam? Weil sie "schön, unerschrocken und britisch" sei, sagt die Kreativdirektorin Emma Hill. Hedi Slimane (Saint Laurent) inszenierte Delevingne dagegen in seiner Wahlheimat Los Angeles als Grunge-Girl in Lederrock und Netzstrumpfhose.

Eine Million auf Twitter

Das Blitzlicht begleitet Delevingne auch in ihrem Alltag. Und das ist durchaus gewollt. Ob Cara in New York bei Keith McCurdy alias "Bang Bang" auf dem Tätowierstuhl sitzt oder in einem Hot-Dog-Overall herumhüpft: Über eine Million Fans sind via Twitter mit dabei. Delevingne ist nicht nur Model. Sie ist auch Entertainerin.

Von Fotograf Mario Testino stammt der Satz, dass Delevingne die neue Kate Moss sei. Neulich, nach der Show der Modekette Topshop in London: Delevingne postet einen Schnappschuss auf ihrem Facebook-Profil. Darauf zu sehen: Kate Moss mit einer ihrer Sonnenbrillen auf der Nase. Delevingne schmiegt sich an die fast zwanzig Jahre ältere Modelikone. Ein Generationenporträt. Vielleicht auch eine Stabübergabe.

Kate Moss bekommt das höchstwahrscheinlich gar nicht mit. Sie meidet Twitter, hasst es, wenn die Öffentlichkeit zu viel weiß über ihren Alltag. Die bald Vierzigjährige mag äußerlich jung bleiben, doch sie gehört einer anderen Modelgeneration an. Die Supermodels der 90er waren zwar auch branchenübergreifende Stars, so konsequent wie Delevingne haben sie ihr Privatleben aber nicht geplündert.

"Gesicht des Jahres"

Neben ihrem Hang zum Feiern und ihrem Charisma haben Moss und Delevingne noch etwas gemein: ihre Entdeckerin. Sarah Doukas, die Gründerin der Modelagentur Storm, gabelte 1988 die 14-jährige Kate Moss in New York am Flughafen auf.

Cara Delevingnes Entdeckung hingegen beruhte weniger auf einem Zufall. Caras Freundin ist die Tochter der Modelagentin. Und die hatte bereits die Karriere von Caras umtriebiger Schwester Poppy angekurbelt. Dann ging auch für den Teenager alles sehr schnell.

2009 unterschrieb die 17-jährige Delevingne bei Storm ihren ersten Modelvertrag und posierte für den britischen Online-Shop Asos, Burberry-Designer Christopher Bailey gehörte 2010 zu ihren ersten Förderern. Damit begann die Hysterie: dieses Mädchen, diese Brauen! Der wirkliche Durchbruch kam im vergangenen Jahr: Die Britin gewann den British Fashion Award, im selben Jahr wurde sie von Chanel zum "Gesicht des Jahres" gekürt.

Ihre Generation

Mit ihrer Vorliebe für bunte Statement-Shirts, Mützen und Kappen, Skinny Jeans und Turnschuhen trifft Cara den Geschmack ihrer Generation. Es gibt sogar einen Blog, der Schnappschüsse ihrer Straßenlooks bis ins letzte Accessoire aufschlüsselt (delevingnestyle.tumblr.com). Dabei kokettiert Delevingne damit, sich in der Vergangenheit nicht sonderlich für Mode interessiert, dafür lieber Fußball gespielt zu haben: "Ich war so ein richtiger Junge. Meine Mutter hat ständig versucht, mich in Kleidchen zu stecken. Ich habe das gehasst!"

Cara Delevingne mag sich unangepasst geben, ihre Verbindungen in die britische Gesellschaft hat sie ihrer Familie zu verdanken. Cara fängt im Gegensatz zu Kate als Teenager nicht bei null an. Sie wächst mit den beiden Schwestern Poppy und Chloé im exklusiven Londoner Stadtteil Mayfair auf, ihr Vater Charles ist ein bestens vernetzter Immobilienentwickler, Mutter Pandora Stevens arbeitet als Personal Shopper bei "Selfridges".

Pandora Stevens war in den 1980er-Jahren schon so etwas wie ein It-Girl mit den obligatorischen Medikamenten- und Drogenproblemen. Befreundet ist man mit der Herzogin von York, Sarah Ferguson, Caras Patentante heißt Joan Collins, ihr Patenonkel Nicholas David Coleridge ist Vizechef des Condé-Nast-Verlags. Bei so viel nützlichem Vitamin B bleiben bissige Kommentare nicht aus. Die drei blonden Delevigne-Töchter hegten noch größere Aufstiegsambitionen als die Middletons, ätzte die britische Klatschpresse.

Große Ziele

Ohne Zweifel: An das Geld, das Delevingne jetzt verdient, muss sie sich nicht erst gewöhnen. Cara, in der britischen High Society groß geworden, kennt die Regeln, die sie vermeintlich bricht. Längst hat sie ihren Namen markenrechtlich schützen lassen. Zusammen mit ihrem Vater hat sie die Firma Cara & Co gegründet. Es heißt, Cara Delevigne wolle unter ihrem Namen T-Shirts verkaufen. Noch ist daraus nichts geworden.

Ein Problem hat Cara nämlich doch. Sie leidet unter Schuppenflechte, die in Stresssituationen ihren Körper überzieht. Stress bedeuten vor allem die internationalen Modewochen, bei einer Versace-Show in Mailand waren ihre Beine mit roten Flecken übersät: der blanke Horror für ein Model, das aus seinem Äußeren Kapital schlägt.

Energiebündel Cara Delevingne scheint bereits Lösungen parat zu haben. Eigentlich wolle sie ja Musikerin oder Schauspielerin werden, liest man in letzter Zeit vermehrt über sie. Den Beweis dafür tritt sie im Internet an, zum Beispiel mit einem Schlagzeugsolo und einem Song, der Sonnentanz heißt.

Cara Delevingne scheint noch um eine Spur beweglicher als Kate Moss – und auskunftsfreudiger allemal. "Ich hätte gerne einen Oscar, einen Grammy und einen Nobelpreis", meinte sie kürzlich und fügte hinzu: "Premierministerin zu werden wäre vielleicht auch nicht schlecht." (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 26.9.2013)