David Ellensohn, Klubchef der Wiener Grünen, bringt Sonnenblumenkerne unters Wahlvolk - und heimst Lob für die Öffi-Jahreskarte der Wiener Linien ein.

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Wien - Hinter dem Standel mit den grünen Sonnenschirmen sitzen ein paar junge Männer an einem grünen Tisch - und pokern. Ausgerechnet. Wenn die Wiener Grünen sich zwecks Erschließung neuer Wählerkreise unters Volk mischen, müssen sie mit ungewohnter Nachbarschaft rechnen. Zumindest dann, wenn sie sich dafür die Lugner-City im 15. Bezirk ausgesucht haben. Da kann es leicht passieren, dass Klubchef David Ellensohn seine in Sackerln verpackte Sonnenblumenkerne neben einem finster drein blickenden Croupier verteilt. Dabei ist er vehementer Gegner jeglicher öffentlicher Zockerei und würde das Glücksspiel am liebsten gänzlich in Kasinos verbannen.

In Wahlkampfzeiten versucht jede Partei, sich auch auf unüblichem Terrain zu behaupten. Die Grünen sind heuer erstmals auch im Einkaufszentrum des Baumeisters unterwegs. Ihren beschirmten Infotisch haben sie an diesem trüben Septembernachmittag im Erdgeschoß aufgebaut, neben dem mobilen Spieltisch eines Glückspielunternehmens. Und gleich neben der Bühne, auf der FP-Chef Heinz-Christian Strache 2010 seine Anhänger auf die Wien-Wahl eingestimmt hat.

"Kein Goder wie der Häupl"

Es dauert auch nicht lange, bis Ellensohn mit einer Passantin ins Gespräch kommt. "Habts ihr auch Kugelschreiber?", fragt eine rundliche Frau in braunem Mantel. "Leider nicht", antwortet Ellensohn und fischt einen Stift aus der Innentasche seiner knallgrünen Regenjacke "aber sie können meinen haben, den habe ich noch nicht oft verwendet - ehrlich!" "Ihr seids aber oam", anwortet die Frau, schnappt sich den Stift und geht grußlos weiter.

Es gibt aber auch Besucher, die sich nicht nur für Werbegeschenke interessieren. "Das mit der Jahreskarte habt ihr gut gemacht", sagt eine Frau in blauem Kleid und roten Stöckelschuhen, "ihr gefällt mir überhaupt gut, seids lauter sportliche Menschen und habts ned so einen Goder wie der Häupl." Letztere Bemerkung quittiert Ellensohn mit einem kurzen Auflacher - und verstrickt die Frau in ein ausführliches Gespräch über die Vorzüge öffentlichen Nahverkehrs.

Viel reden, viel Händeschütteln - ein Nationalratswahlkampf ist nicht nur für die Spitzenkandidaten anstrengend, auch die jeweiligen Landesgruppen sind bis zum Wahlsonntag noch im Dauereinsatz. Die Wiener Grünen fühlen sich dabei erstmals doppelbelastet: "Wir müssen ja gleichzeitig auch noch regieren", sagt Ellensohn und drückt zwei Jugendlichen Werbehefte in die Hand. Strittige Themen verschiebe man da lieber auf die Zeit nach der Wahl. "Das wäre ja nicht sehr sinnvoll, wenn wir die jetzt mit der SPÖ besprechen würden."

"Danke, ich gehe nicht wählen"

An der Mariahilfer Straße kommt der kleine Regierungspartner trotzdem nicht vorbei. "Ihr kümmerts euch doch nur um die Radlfahrer", sagt ein älterer Mann mit Stock, "aber um uns scherts euch ned!" Die Beteuerungen Ellensohns, den Grünen seien auch die Fußgänger wichtig, hört sich der Mann mit Skepsis an.

"Insgesamt", wird Ellensohn später sagen, "sind die Leute schon viel freundlicher geworden, egal, wo wir wahlkämpfen." Vor 18 Jahren, als er als Bezirksrat begonnen habe, sei der Ton noch wesentlich rauer gewesen. Dass die grüne Truppe in der Lugner-City durchwegs freundlich aufgenommen wird, liegt wohl auch daran, dass der 15. und der angrenzende 16. Bezirk längst keine sogenannten Arbeiterbezirke sind. Zudem hat sich ein Gutteil der Wiener - trotz Streit ums Parkpickerl und um die neue Fußgängerzone - inzwischen an den Umstand, dass die Grünen mitregieren, gewöhnt.

Ellensohn ist sicher, dass die Grünen bei dieser Wahl kräftig dazugewinnen werden. "Das wird super - wir sind wie gedopt", sagt er und hält nach dem nächsten potenziellen Sonnenblumenkern-Abnehmer Ausschau. Ein Mann mit Schnauzbart winkt ab: "Danke, ich gehe nicht wählen." (Martina Stemmer, DER STANDARD, 25.9.2013)