Bild nicht mehr verfügbar.

Merkel vor ihren begeisterten Anhängern.

Foto: EPA/KAY NIETFELD

Musik vor dem Auftritt von Angela Merkel.

Foto: Kampl/derStandard.at

Ein Schilderwald vor Merkels Rede im Tempodrom in Berlin Kreuzberg.

Foto: Kampl/derStandard.at

Für alle gut sichtbar: Die Kanzlerin am Bildschirm.

Foto: Kampl/derStandard.at

Peter Paul und Roswitha Kiesewetter: Die beiden Rentner unterstützen die CDU und deren Spitzenkandidatin Angela Merkel.

Foto: Kampl/derStandard.at

Ein Suchbild: Angela Merkel, im Bild der kleine kaum zu erkennende lila Punkt in der eher linken Bildhälfte, umringt von ihren Parteikollegen.

Foto: Kampl/derStandard.at

CDUler nach der Mobilisierungsrede Angela Merkels.

Foto: Kampl/derStandard.at

Um 10:52 Uhr ist es soweit. Die CDU-Spitzenkandidatin und Bundeskanzlerin Angela Merkel betritt den Saal im Berliner Tempodrom, ein Gebäude dessen Architektur an das Erscheinungsbild eines Zirkuszeltes angelehnt ist. In dem Veranstaltungszentrum im Bezirk Kreuzberg werden heute Abend noch die Wise Guys mit ihrer Antidepressivum-Tour die Halle füllen, der Vormittag allerdings gehört den Konservativen. Die CDU hat ihre Mitglieder eingeladen, um in den letzten Stunden vor der Wahl noch mal zu mobilisieren.

"Wir müssen ja regiert werden"

Schon kurz vor neun Uhr morgens warteten Parteimitglieder und Aktivisten vor den Türen auf Einlass. Einladungen zur Veranstaltung gingen an alle Parteimitglieder. Wer mochte konnte sich anmelden. So hat es auch das Ehepaar Peter Paul und Roswitha Kiesewetter gemacht. Peter Paul Kiesewetter ist seit 1974 CDU-Mitglied und noch ehrenamtlich in der Partei aktiv. Der Rentner sagt, es gehe ihm um "das christliche Menschenbild", das die CDU für ihn verkörpert. Dass Angela Merkel auch in den kommenden vier Jahren die deutsche Kanzlerin sein wird, bezweifelt hier niemand. Die Frage des Koalitionspartners hingegen ist noch nicht ganz klar. Kiesewetter wäre zwar eine Koalition mit den Liberalen am liebsten, aber falls das nicht klappt, muss es wohl oder übel auch mit der SPD gehen. "Wir müssen ja regiert werden", sagt der 73-Jährige.

Das Tempodrom fasst rund 3800 Leute und ist bei der CDU-Veranstaltung gut gefüllt. Die Sitzreihen sind aufsteigend angeordnet – ähnlich der Sitzordnung in einem Amphitheater. Die Besucher haben beim Eingang orange Schilder bekommen die auf beiden Seiten bedruckt sind: Auf der einen Seite steht in weißer Schrift "Angie", auf der anderen "Gemeinsam erfolgreich".

Lobeshymne an die Kanzlerin

Aber weil "Angie" erst um kurz vor elf die Bühne betritt, gilt es bis dahin die Besucher zu unterhalten. Das übernehmen sechs Musiker und ein Sänger mit Glitzersteinchen am Revers seines schwarzen Sakkos. Die Lieder, die das Publikum in Stimmung bringen sollen: "Angie muss nur mal kurz die Welt retten", eine Lobeshymne an die Kanzlerin, die sich bei Text und Melodie Anleihe bei Tim Bendzkos Hit "Nur mal schnell die Welt retten" nimmt. Nur ist es jetzt eben Angie, die die Welt rettet und 148 E-Mails checkt. Darauf folgen "You're simply the best", "Über sieben Brücken musst du gehen" und "We are family". Danach übernehmen zwei Moderatoren die Organisation des Ablaufs der Veranstaltung.

Team Deutschland im Scheinwerferlicht

Kurz nach 10:30 Uhr kommen rund 15 junge Menschen in den Saal, die in den vergangenen Tagen als "Team Deutschland" mit einem Bus durch Deutschland gereist sind, um für die Kanzlerin und die CDU zu werben. Erkennbar sind die Mitglieder des "Team Deutschland" meist an ihren orangen Allwetterjacken deren Rückseite mit Worten wie "Wahlfreiheitsverteidiger" oder "Steuererhöhungsverhinderer" bedruckt sind. Darunter tragen viele ein dunkelblaues T-Shirt mit dem Slogan "Cool bleiben, Kanzlerin wählen".

Jede Minute geplant

Obwohl draußen die Sonne scheint, geht im Veranstaltungsraum selbst jedes Zeitgefühl verloren. Der Saal ist fensterlos und wie für eine Abendveranstaltung ausgeleuchtet. Grelle Scheinwerfer, choreographierte Lichtverhältnisse – jede Minute des Auftrittes ist streng getaktet. Bevor die Kanzlerin ans Pult tritt, werben auch die Vertreter des Berliner Landesverbandes, Frank Henkel, Kai Wegner und Monika Grütters um Stimmen für die Union.

Von Pudeln und dem Ende der Lockerheit

Und dann ist es soweit: Die Kanzlerin ist im Saal. Bevor sie ans Redepult tritt, berichtet sie im Plauderton vom verregneten Wahlkampfauftritt in München: "Ich hatte Angst, dass die gut gesicherte Frisur Schaden nimmt. Ich wollte in Bayern nicht aussehen wie ein begossener Pudel." Ein großer Lacherfolg für Angela Merkel.

Die Lockerheit verfliegt aber in der Sekunde in der Merkel zum Rednerpult schreitet. Dann schlägt sie den Ton Kanzlerin an: ernst, beständig, zuverlässig. In der rund 20-minütigen Rede wirbt Merkel nochmal für ihre Partei und für sich selbst als Kanzlerin. Die Themen sind nicht neu. Es geht um Arbeitsplätze, die nicht einfach per Gesetz zu verordnen wären, sondern nur durch ein unternehmerfreundliches Umfeld zu garantieren seien. Neue Steuern würden den Wirtschaftsstandort nur gefährden.

Seitenhiebe auf Grüne und SPD

Dann ein Seitenhieb auf die angebliche Bevormundung der Wähler durch die Grünen. "Wir geben keine Hinweise, wann man Fleisch essen soll und wann nicht." Aber auch die SPD bleibt nicht ungeschoren: Der von den Sozialdemokraten geforderte Mindestlohn sei nicht Sache der Politik, sondern der Tarifpartner. Obwohl Merkel die Themen ihrer politischen Gegner anspricht, kommen ihr die Parteinamen Grüne oder SPD nicht über die Lippen. Dieser Vormittag gehört nur der CDU.

Am Abschluss der Rede folgt nochmals der Aufruf an die anwesenden Parteikollegen, sie sollten den Unentschlossenen sagen, dass es morgen auch um ihre persönliche Zukunft gehe. Und dann nochmals ein eindringlicher Appell: "Gehen Sie raus, sprechen Sie Unentschlossene an." Das wird auch Merkel machen. Noch ist der Wahlkampf für sie noch nicht zu Ende. Nach dem Auftritt in Berlin wird sie heute Abend in Stralsund, ihrem Wahlkreis, noch ein Basketballspiel besuchen. Der Wahlkampf wird dort nicht zu kurz kommen, versichert Merkel: "Keine Angst, ich halte vorher auch noch eine Rede." Noch ist die Wahl nicht geschlagen, noch ist sie auch nicht gewonnen. (Michaela Kampl, derStandard.at, 21.9.2013)