Bild nicht mehr verfügbar.

In Los Angeles staut es sich in den ausgedehnten Rushhours von 6 bis 10 und 15 bis 19 Uhr auf zwölfspurigen Autobahnen.

Foto: AP/Reed Saxon

Bild nicht mehr verfügbar.

In San Francisco gibt es auch Verkehr. Der wird aber von einem ausgebauten Öffi-System wie den Cable Cars abgemildert. Fotos: AP/Saxon, EPA/Davey

Foto: EPA/MONICA M. DAVEY

Der Angeleno hat die Touristen vorgewarnt. "Erwartet euch nicht zu viel." Für die gestiegene Vorfreude freilich war der hiesige Tourguide selbst verantwortlich: Philipp Friesenbichler, ein ausgewanderter Steirer in Hollywood, wird als Kameramann in Kalifornien auch wegen seines scharfen Blicks und unkonventionellen Blickwinkels seit Jahren geschätzt. Den Gästen aus Übersee präsentiert der 29-Jährige also den abgelebten Hollywood Boulevard nur ganz kurz - und fährt dann lieber weiter in die umliegenden Berge. Eine einsame Wanderung in frischer Luft nahe einer pulsierenden Millionenmetropole inklusive Abkühlung in einem natürlichen Süßwasserpool? Mit dem versteckten Trail zum kleinen Wasserfall namens Switzer Falls im Angeles National Forest war so nicht zu rechnen.

Insofern waren auch die Erwartungen an das nächste Highlight hochgesteckt: der Blick vom 1700 Meter hohen Mount Wilson hinunter nach Los Angeles und ins San Fernando Valley. Das Einzige, das aus der dichten Smogwolke im so beeindruckend dicht besiedelten Tal herausragte, waren aber nur die Spitzen der Wolkenkratzer im Zentrum von L.A. "Man muss schon Glück und Wind haben, um an klaren Tagen bis zum Strand von Santa Monica sehen zu können", sagt Friesenbichler. Die Luft da unten atmet er tagtäglich ein, filtert sie wie die anderen rund 13 Millionen Einwohner in der Metropolregion durch seine Lungen. "Jetzt wisst ihr, wieso ich so gerne in den Bergen bin. Da steckt also nicht nur Heimatverbundenheit dahinter."

Zwölfspurige Freeways

Als Hauptursache für die Luftverschmutzung in der Stadt gilt immer noch der starke Individualverkehr. Im Durchschnitt besitzt jeder zweite Einwohner ein Auto, und die subjektive Wahrnehmung legt nahe, dass mit diesem auch jeden Tag gefahren wird. Auf den Hauptverkehrsadern wie der - exklusive zweispuriger Autobahnabfahrten - bis zu zwölfspurigen Interstate 405 staut es sich verlässlich in den ausgedehnten Rushhours. Alleine auf der I-405, der meistbefahrenen Straße der USA, sind bis zu 400.000 Autos in 24 Stunden unterwegs. Um Fahrgemeinschaften zu fördern und zu belohnen, gibt es seit einigen Jahren eigene Schnellspuren. Was als Fahrgemeinschaft gilt? Zwei Personen im Auto. Der überwiegende Großteil der Angelenos ist alleine auf den Straßen unterwegs.

Fußgänger sind kaum in der City unterwegs. Und mit den öffentlichen und umweltfreundlicheren Transportmitteln lassen sich kaum zwei Punkte halbwegs angenehm verbinden. Dafür sind die Entfernungen zu groß, und das Öffi-Netz ist trotz Anstrengungen in den vergangenen Jahren noch immer zu schlecht ausgebaut. Die Third Street Promenade, eine kleine Fußgängerzone nahe des Santa Monica Pier, gilt da tatsächlich schon als Sehenswürdigkeit und Sensation.

Radeln und spazieren

Anders sieht die Lage aus, wenn man die Küstenstraße Highway 1 nimmt und sich rund 700 Kilometer hinauf in den Norden begibt. In San Francisco, der zweiten kalifornischen Metropole, wird zwar auch viel mit Autos gefahren - die Golden Gate Bridge als Hauptverbindungsroute nach Nordkalifornien kann ein Lied davon singen. Aber es wird in der Stadt auch spaziert oder geradelt. Selbst das höher gelegene und einige Kilometer vom Zentrum entfernte einstige Hippie-Viertel Haight-Ashbury lässt sich problemlos mit U-Bahn und Bussen ansteuern. Im Vergleich mit L.A. ist das System der öffentlichen Verkehrsmittel geradezu extraordinary, awesome und amazing. Wobei die Cable Cars, historische, über die Hügel San Franciscos führende Kabelstraßenbahnen, großteils von Touristen frequentiert werden.

In Los Angeles gab es bis 1990 für 27 Jahre überhaupt keine Straßenbahn. Heute beträgt das unter- und oberirdische Bahnnetz in der Stadt immerhin wieder 140 Kilometer. Zum Vergleich: Das viel kleinere Wien kommt - Straßen- und U-Bahn-Netz zusammengerechnet - auf gut 300 Kilometer.

Straßenbahnskandal

Dabei hatte Los Angeles zu Beginn des 20. Jahrhunderts eines der bestausgebauten öffentlichen Verkehrssysteme der Welt. Die Unternehmen Pacific Electric Railway und Los Angeles Railway betrieben ihre Züge und Trams mit großem Erfolg, alleine die L.A. Railway hatte auf 20 Linien täglich etwa 1250 Garnituren im Einsatz. 1963 fuhr im Stadtgebiet keine einzige Straßenbahn mehr - ein Umstand, der später als "Großer amerikanischer Straßenbahnskandal" in die Geschichte eingehen sollte.

Ab etwa 1930 sollen aufstrebende Automobilkonzerne unter der Führung von General Motors begonnen haben, in 45 Städten der USA Straßenbahnbetriebe aufzukaufen. In Los Angeles war man besonders erfolgreich: Nach und nach wurden die Straßenbahnen durch Busse von GM ersetzt, die Sanierung und Pflege von Bahnlinien soll hingegen vernachlässigt worden sein.

Parallel dazu erlebte der Autoverkehr durch den Bau großzügig angelegter Freeways einen Boom, der bis heute nicht abebbte. General Motors, der Reifenhersteller Firestone und der Ölkonzern Standard Oil, die neben anderen hinter dem Unternehmen National City Lines steckten, waren darüber nicht unglücklich.

Die genauen Hintergründe des Straßenbahn-Niedergangs in den USA wurden nie restlos geklärt. 1949 wurde das Firmenkonsortium der Verschwörung für schuldig befunden. GM musste 5000 Dollar Strafe zahlen. Manche Experten vermuten, dass die Straßenbahnen aber auch ohne diese Aktivitäten verschwunden wären. Während man in Europa aber auf den Bau von U-Bahnen setzte, konzentrierte man sich vor allem in Los Angeles auf die Erweiterung des Individualverkehrs.

Mit der Metro zum Strand

Mit den Umwelt- und Verkehrsfolgen dieser Entscheidung hat die zweitgrößte Stadt in den Vereinigten Staaten heute mehr denn je zu kämpfen. Das Verkehrsaufkommen hat zugenommen, im Vergleich zu 1960 verbrauchen die Autos in Los Angeles heute dreimal mehr Treibstoff. Müssten die Vehikel nicht strengeren Umweltrichtlinien unterliegen, wären nicht einmal mehr die Spitzen der Wolkenkratzer über der Smogwolke zu sehen.

Die Anstrengungen der Stadtverantwortlichen, Stau und Smog möglichst einzudämmen, sind aber nicht zu übersehen. Bis 2016 soll die erste Metrolinie die Stadt mit dem Strand von Santa Monica verbinden. Die Idee ist freilich nicht neu: Auf fast exakt derselben Route bis fast hin zum berühmten Pier mit dem Vergnügungspark verkehrten schon von 1909 bis 1953 Straßenbahnen. (David Krutzler aus Los Angeles, DER STANDARD, 21./22.9.2013)