Sexarbeiterinnen und Anrainer wollen im Stuwerviertel zusammenhelfen.

Foto: Standard/Corn

Mit dem Neubau der Wirtschaftsuniversität wird der Straßenstrich im Wiener Prater noch kleiner. Eine Flächenumwidmung, die noch im September den Gemeinderat passieren soll, macht die Perspektivstraße im zweiten Bezirk dann zur Verbotszone, die Sexarbeiterinnen werden weiter verdrängt.

Unter anderem mit der Idee, den Straßenstrich des Stuwerviertels zum Weltkulturerbe erklären zu lassen, wollen manche Anrainer nun gemeinsam mit den Sexarbeiterinnen auf die prekäre Situation aufmerksam machen und eine Lösung erarbeiten. Das "Stuwerkomitee" tritt für die Selbstbestimmung der Sexarbeiterinnen ein und möchte einen offenen Dialog mit allen Parteien führen. Unter dem Motto "Rotlicht statt Blaulicht" luden die Mitglieder des Komitees deshalb am Mittwochabend in ein Laufhaus, um Kritikern und Sympathisanten Informationen aus erster Hand zu liefern.

"So viele hübsche Mädls"

Eigentlich hat das Stundenhotel des Herrn Emmerich nur bis 18.30 Uhr geöffnet, doch heute macht der 72-Jährige im grauen Anzug eine Ausnahme. Bereits seit 27 Jahren ist der Fleischhauermeister Besitzer des Laufhauses in der Stuwergasse 5. Mit den Worten "So viele hübsche Mädls heute" begrüßt er die Dutzenden Besucher, die sich bereits bis auf die Straße drängen.

Im abgesessenen Bürostuhl erzählt er sichtlich stolz von den Anfängen seines Betriebs, der früher ein Hendlverkauf war. Herr Emmerich berichtet von der schwierigen Situation der "Mädchen" und dass sie teilweise nur 20 Euro pro Sexualkontakt verdienen würden. Deshalb verlangt er noch immer nur zehn Euro von den Freiern für eine halbe Stunde am Zimmer. Und deshalb gibt es bei ihm noch immer kostenlos Getränke und die Gelegenheit, aufs Klo zu gehen und sich zu duschen.

Hohe Strafen

Herr Emmerich erzählt seine Erfahrungen ruhig und so, als habe er die Geschichten schon öfter erzählt. Nur beim Thema Strafen wird der 72-Jährige emotional und berichtet von Sexarbeiterinnen, die mehr als 1.000 Euro für fehlende Kontrollkarten oder Untersuchungen zahlen müssten. "Wie sollen die Frauen das bezahlen?" Außerdem würden die Frauen bereits zur Kasse gebeten werden, wenn sie einen Autofahrer nur ansehen.

Das stimme so nicht, erwidert Barbara Riehs von der Pressestelle der Landespolizeidirektion Wien im Gespräch mit derStandard.at. Um von den Beamten belangt zu werden, müssten mehrere Dinge zusammenspielen. Leichte Kleidung, Fahrzeuge heranwinken und auf haltende Autos zugehen seien etwa so eine Kombination.

"Davon ist allerdings nur die illegale Prostitution betroffen, also die Arbeit in Verbotszonen", sagt Riehs. Die Mindeststrafe liegt bei einem Organstrafmandat bei 100 Euro. Kann die Summe nicht bezahlt werden, stellt der Polizist eine Anzeige aus. Deren Höhe liegt bei rund zehn Prozent der Höchststrafe von 500 Euro, also 50 Euro.

Mehr Rechte gefordert

In einem Raum des Stundenhotels von Herrn Emmerich stellt sich die Sexarbeiterin Dani den Fragen des interessierten Publikums. Auf einem Bett sitzend berichtet die Mittdreißigerin mit ruhiger Stimme von ihrem Beruf. Ihren Eltern habe sie erzählt, dass sie seit elf Jahren im "Sozialbereich" tätig sei.

Heute ist sie Escortdame, Dani war aber bereits in mehreren Prostitutionssparten tätig. Sie plädiert für einen Gewerbeschein für Prostituierte. Das würde auch die Stigmatisierung des Berufs in der Gesellschaft bekämpfen und rechtliche Sicherheit für Sexarbeiterinnen bedeuten, ist sie überzeugt.

Vorwurf: Menschenrechtsverletzungen

Diese Sicherheiten möchte auch Christian Knappik für die Frauen erreichen. Er betreut seit acht Jahren einen Notruf für Sexarbeiterinnen, ist Senioradministrator des Portals sexworker.at und sitzt nun ebenfalls in einem Zimmer von Herrn Emmerich und klärt auf.

Für ihn begeht der österreichische Staat Menschenrechtsverletzungen an Sexarbeiterinnen. Kein anderes europäisches Land würde so stark in die Intimsphäre der Frauen eingreifen wie Österreich, alleine die wöchentlichen Zwangsuntersuchungen durch Amtsärzte seien ein Verstoß gegen die Menschenrechte, so Knappik.

Die Frauen, die er auf ihren Wunsch begleite, würden keine Diagnosen und keine Behandlungen im Falle einer Geschlechtskrankheit erhalten. Im Falle einer Erkrankung werde lediglich die Kontrollkarte der Sexarbeiterinnen für drei Wochen entzogen. Eine zu harte Sanktion, wie er meint. "Selbst Ungarn hat zu Beginn des vergangenen Jahres die Zwangsuntersuchungen mit dem Hinweis auf die Menschenrechte abgesagt", so Knappik. "Und bei diesem Thema ist Ungarn normalerweise kein Vorreiter." (Bianca Blei, derStandard.at, 20.9.2013)