Wenige Monate nach der Volksbefragung in Österreich stimmen die Schweizer am Sonntag über die allgemeine Wehrpflicht ab. Erste Prognosen lassen  aber erwarten, dass die Bevölkerung die Wehrpflicht beibehalten wird.

Die letzte Umfrage des Schweizer Fernsehens SRF vor einer Woche ergab, dass 63 Prozent der Befragten der Wehrpflicht zustimmen. Nur 31 Prozent befürworten die Volksinitiative der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa), welche die Schweizer Milizarmee abschaffen und durch eine freiwillige, kleinere und weniger teure Armee ersetzen will.

Die Schweiz gibt jährlich rund vier Milliarden Franken (3,4 Mrd. Euro) für die Armee aus, hinzu kommen jährlich Hunderte von Millionen an Rüstungsausgaben. So hat gerade diese Woche das Schweizer Parlament beschlossen, für mehr als 2,5 Milliarden Euro 22 neue Gripen-Kampfflugzeuge des schwedischen Herstellers Saab zu kaufen.

Hinzu kommen laut der Gsoa weitere vier Milliarden, die die Wirtschaft aufbringen müsse, weil viele Angestellte wochenlang
im Militärdienst seien statt am Arbeitsplatz. "Mit 100.000 Armeeangehörigen hat die Schweiz so viele Soldaten wie Österreich, Belgien, Schweden und Norwegen zusammen", argumentiert die Gsoa. "Die Initiative zur Aufhebung der Wehrpflicht schafft diesen sinnlosen staatlichen Zwang ab und macht die Armee kleiner und weniger teuer."

In der Tat herrscht zwar in der Schweiz eine allgemeine Wehrpflicht, doch die Schweizer Armee hat gar keine Verwendung für alle diensttauglichen Männer. Nur rund 60 Prozent jedes Jahrgangs bestehen die Musterung und werden als diensttauglich eingeteilt; von diesen wiederum leistet nur ein Drittel den vollen Militärdienst bis zum Ende. Die anderen leisten Zivilschutz oder Zivildienst. Und ein großer Teil lässt sich von einem Arzt Dienstuntauglichkeit bescheinigen.

"Kein Kalter Krieg mehr"

Angesichts der heutigen Bedrohungslage seien nicht mehr große Truppenverbände gefragt, sondern spezialisierte Einheiten, sagt der Militärexperte Bruno Lezzi: "Wir sind heute nicht mehr im Kalten Krieg. Der Verteidigungsauftrag müsste modernisiert und weiter gefasst werden", so Lezzi im Radio. Mit verstärkter internationaler Kooperation könne die Schweiz mehr Sicherheit gewinnen als mit dem Festhalten an einer großen Verteidigungsarmee.

Doch Verteidigungsminister Ueli Maurer von der konservativen SVP hält an Wehrpflicht und Milizarmee fest: "Wenn die Wehrpflicht abgeschafft wird, zerbricht auch die bewährte Einheit von Volk und Armee. Die Abschaffung der Wehrplicht wäre die vorweggenommene Abschaffung der Landesverteidigung." (red/Klaus Bonanomi aus Bern /DER STANDARD, 22.9.2013)