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In der Gesundheitspsychologie gilt Risikowahrnehmung als Katalysator für Schutzverhalten.

Foto: REUTERS/Edgar Su

Es hängt von der gesundheitlichen Risikowahrnehmung ab, inwieweit sich jemand vor möglichen Gefahren schützt. Wie lässt sich jedoch diese Risikowahrnehmung eines Menschen messen? Was sind die zugrunde liegenden Prozesse? Diesen Fragen ging eine Gruppe Konstanzer Psychologen anhand einer Fernsehdokumentation über den Influenza-Virus H1N1, bekannt als "Schweinegrippe-Virus", nach.

Die Rolle der Medien

Während der H1N1-Pandemie 2009/2010, als das Schweinegrippe-Virus global auftrat, spielten die Medien eine entscheidende Rolle bei der Risikokommunikation. Was bewirken solche Beiträge bei den Zusehenden und wie hängt ihre Verarbeitung von der bereits bestehenden, individuellen Risikowahrnehmung ab?

Um diese Frage zu beantworten, hatte das Forschungsteam um Ralf Schmälzle zwei Gruppen von Probanden zusammengestellt: Eine Gruppe von Personen, die mit der Schweinegrippe ein hohes Risiko verbanden, und eine zweite Gruppe, deren Mitglieder den Virus nicht als solch hohes Risiko wahrnahmen. Beiden Gruppen wurde dieselbe Fernsehdokumentation über Schweinegrippe gezeigt. Diese diente somit als Reiz, um entsprechende Reaktionen im Gehirn hervorzurufen.

Eine Fernsehdokumentation stellt eine besondere Herausforderung dar, da sie im Gegensatz zu den üblichen Laborreizen zeitlich dynamisch ist und vielfältige Informationen enthält. "Wenn wir verstehen wollen, wie das Gehirn unter realistischen Bedingungen arbeitet, dann brauchen wir zwingend natürliche, reichhaltige Reize", so Ralf Schmälzle, der in Zusammenarbeit mit Harald Schupp und Britta Renner die beiden Fachdisziplinen der Neurowissenschaften und Gesundheitspsychologie verbindet.

Übereinstimmung in der visuellen Verarbeitung

Während die Probanden die H1N1-Dokumentation betrachteten, wurde im Kernspintomografen ihre Gehirntätigkeit gemessen. Anschließend wurde für jede einzelne Hirnregion die Übereinstimmung der Aktivitätsverläufe zwischen den Zusehenden ermittelt, das heißt, wie ähnlich einzelne Hirnregionen reagierten.

Der visuelle Teil des Gehirns reagierte bei allen Probanden nahezu gleich. "Wenn wir denselben Film sehen, dann trifft auf unsere Augen dieselbe Information, wird ins Hirn weitergeleitet und verarbeitet. Das läuft bei uns allen sehr ähnlich ab, weil es ja derselbe Film ist", erklärt Schmälzle die intersubjektive Übereinstimmung der neuronalen Verarbeitung in visuellen Hirnregionen.

Dasselbe galt auch für auditorische Hirnregionen. In einer anderen Region waren allerdings deutliche Unterschiede zu erkennen: Im sogenannten anterioren Cingulum war bei den Zusehenden mit hoher Risikowahrnehmung eine deutlich größere Ähnlichkeit festzustellen, während die Gruppe mit niedriger Risikowahrnehmung heterogener reagierte.

Emotional in die Botschaft einklinken

"Das anteriore Cingulum wird in der Neurowissenschaft unter anderem mit emotionaler Verarbeitung, Selbstrelevanz und antizipatorischer Ängstlichkeit in Verbindung gebracht", erklärt Schmälzle. "Es scheint also, als ob sich die Zusehenden mit hoher Risikowahrnehmung emotional in die Botschaft einklinken und mehr an der risikobezogenen Information dran bleiben", fasst der Psychologe zusammen.

Dieser Teil des Gehirns reagiere nicht mehr nur rein reizgetrieben, sondern hier hänge die Verarbeitung von der Risikowahrnehmung ab. "Unser Ansatz trägt dazu bei, diese Prozesse zu erforschen, die wir leider nur schwer verbalisieren können. Genau diese Prozesse sind es aber vermutlich, die eine Risikowahrnehmung authentisch und selbstrelevant machen", so Schmälzle.

Die Ergebnisse der Konstanzer Psychologen eröffnen somit neue Möglichkeiten, sowohl für die Erforschung der Risikokommunikation als auch für die Gesundheitspsychologie, in der Risikowahrnehmung als Katalysator für Schutzverhalten gilt. (red, derStandard.at, 17.9.2013)