Skeptiker und Zweifler waren noch nie gern gesehen. Sie stören bei der Verkündigung von dogmatischen Wahrheiten aller Art ebenso wie bei der Beschwörung von Werten, sie distanzieren sich von den Parolen des Fortschritt ebenso wie von den nostalgischen Verklärungen der Vergangenheit. Wie fast alles in der Philosophie hat auch der Skeptizismus seine Wurzel in der Antike.

Das griechische Wort skeptikos bezeichnete ursprünglich schlicht einen, der etwas untersucht. Auch dem Skeptiker geht es um Erkenntnis, er lernt jedoch, dass es für fast alle entscheidenden Positionen ebenso gute Pro- wie Kontraargumente gibt, und entschließt sich deshalb dazu, sich des Urteils überhaupt zu enthalten. Als Ahnherr dieser skeptischen Haltung gilt Pyrrhon von Elis, ihre erste Darstellung erfuhr die Skepsis im zweiten nachchristlichen Jahrhundert durch Sextus Empiricus.

Die Wiederentdeckung seiner Schriften in der Neuzeit mögen das ihre zur Revitalisierung der Skepsis durch Michel de Montaigne beigetragen haben, dessen "Essais" Musterbeispiele dafür sind, wie man die Fragen und Probleme des Lebens mit Scharfblick und humaner Grundhaltung analysieren kann, ohne zu einem abschließenden Urteil gelangen zu müssen.

Während der Skeptiker sich also aus guten Gründen jeder Urteilsfindung enthalten will, setzt der philosophierende Zweifler den Zweifel als Methode ein, um zu einem sicheren Urteil zu gelangen. Der Meister dieses Zweifels war René Descartes, der auf der Suche nach einem sicheren Wissen alles bezweifelte, was nur irgendwie dem Verdacht der Täuschung und Irreführung ausgesetzt werden konnte: Sinneseindrücke, Gefühle, Körperwahrnehmungen, Erinnerungen, Fantasien - nichts blieb von diesem Zweifel verschont, bis nur noch die Gewissheit übrig blieb, dass ein Wesen, das alles bezweifeln kann, nur eines nicht bezweifeln kann: dass es ein Wesen gibt, das alles bezweifeln kann.

Für den Alltag allerdings, das wusste Descartes, gibt der Zweifel wenig her, denn hier müssen wir mit Annahmen, Plausibilitäten und Gewohnheiten hantieren, die wir nicht ständig bezweifeln können. Immerhin sollten wir uns bewusst sein, dass diese Annahmen zwar praktisch hilfreich sein können, deshalb allerdings keine Wahrheiten darstellen.

Der Rationalist glaubt, dass er dieser Wahrheit näher kommen kann, wenn er alles, wie Kant es formulierte, vor den "Richtstuhl der Vernunft" zerrt; der Skeptiker ist sich auch hier alles andere als sicher. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3. 8. 2003)