Die EU hat Aktiendeals mit leeren Taschen verboten. Die Briten nehmen das nicht hin. Nun ist der EuGH am Zug.

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Luxemburg - Die Regelung der Europäischen Union zum Verbot oder der Regulierung von Leerverkäufen - hochspekulativen Finanzwetten auf fallende Aktienkurse - ist womöglich rechtswidrig. Die Vorschrift sei auf einer falschen Grundlage erlassen worden und müsse für nichtig erklärt werden, forderte der zuständige Generalanwalt Niilo Jääskinen in seinen Schlussanträgen am Donnerstag vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Der Generalanwalt plädierte zudem dafür, dass die Europäische Wert- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) ihre Arbeit auf einer anderen Geschäftsgrundlage fortführen soll. Die Schlussanträge der Generalanwälte sind für das Gericht nicht bindend. Es folgt ihnen aber in der Mehrzahl der Fälle gleichwohl. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.

Großbritannien hatte geklagt, weil die ESMA im Vorjahr die Befugnis erhielt, Leerverkäufe anstelle von nationalen Behörden regulieren oder verbieten zu dürfen. Bei Leerverkäufen wetten Spekulanten auf fallende Aktienkurse. Sie leihen sich dazu ein Papier für eine bestimmte Zeit und verkaufen es sofort weiter. Nach Ablauf der Frist kaufen sie ein Papier derselben Art zurück und geben es an den Verleiher zurück. Ist der Kurs tatsächlich gefallen, ist die Kursdifferenz abzüglich der Leihgebühr ihr Gewinn. Bei ungedeckten Leerverkäufen verkauft ein Händler Papiere, die er gar nicht hat.

Falsche Grundlage

Als Grundlage der Verordnung zur Regulierung dieser Geschäfte hatte die EU den Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Harmonisierung des Binnenmarktes gewählt. Laut Jääskinen ersetzt die ESMA aber in Streitfällen nationale Entscheidungen durch Entscheidungen auf Unionsebene. Dies sei keine Harmonisierung.

Der Generalanwalt plädierte deshalb für Artikel 352 als demokratischere Grundlage für die Arbeit der ESMA, weil dieser Artikel die "Einstimmigkeit" der EU-Staaten verlange. Artikel 114 fordere demgegenüber nur eine qualifizierte Mehrheit im EU-Rat.

Jääskinen erkannte aber an, dass die EU handeln müsse, um "Verzerrungen in den Bankensystemen" zu verhindern, wenn einzelne Mitgliedstaaten Leerverkäufe erlaubten. Sollte der EuGH entgegen dem Vorschlag des Generalanwalts den Artikel 114 als weiter geeignete Geschäftsgrundlage der ESMA ansehen, müsse die Klage Großbritanniens insgesamt zurückgewiesen werden, forderte Jääskinen. (AFP, DER STANDARD, 13.9.2013)