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Mit einem Fuß in der EU, mit dem anderen draußen. Dänemark ist Nettozahler in der EU, nimmt aber an vielen Politikbereichen nicht teil.

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"Wir fühlen uns hier in Dänemark wie in einem kleinen Dorf. Das kann auf EU-Ebene nicht funktionieren", sagt Politologin Rebecca Adler-Nissen.

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Ab 2014 wird Dänemark aufgrund eines Opt-Outs die Datenbanken der Europol nicht mehr nützen können. Ein Anstieg der Kriminalität im Grenzraum wird vielerorts befürchtet.

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EU-Parlamentarier Morten Messerschmidt (links) zu Besuch in Wien bei FPÖ-Chef HC Strache. Er tritt für weniger EU und strengere Einwanderungsgesetze ein.

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Büro der "Volksbewegung gegen die EU". Die Partei erhofft sich bei der EU-Wahl im Mai 2014 mehr als 13 Prozent der dänischen Stimmen.

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"Unsere Vorstellung von Demokratie beinhaltet, dass nichts und niemand über dem Parlament steht", sagt die dänische Politologin Adler-Nissen. Gewichtige Urteile des Europäischen Gerichtshof ist man in Dänemark nicht gewohnt.

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Dänemarks Ministerpräsidentin Helle Thoring-Schmidt und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei einer Pressekonferenz in Brüssel.

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Kopenhagen - "Jetzt will die EU auch noch unsere Lakritzpfeifen verbieten." Ein kurzer Aufschrei ging Ende August durch Dänemark, als ein Journalist fälschlicherweise verbreitete, dass durch die neue Tabak-Richtlinie der EU auch des Skandinaviers liebste Süßigkeit dran glauben wird müssen. Letztendlich war es nur der Vorschlag einiger EU-Parlamentarier, der aufs Tapet gebracht wurde, doch ein Nerv war getroffen.

Das Verhältnis Dänemarks zur EU ist ein sehr schwieriges, für den Außenstehenden mitunter auch unverständliches. Zwar ist Dänemark Nettozahler, voll integriert ist das kleine Land, das sich sehr stark an seinen Nachbarn Schweden und Norwegen orientiert, aber trotzdem nicht. Insgesamt vier Opt-Outs (verhandelte Ausnahmen), die seit einem Referendum zum Vertrag von Maastricht gelten, verhindern das. Welche Folgen das für das EU-Mitglied haben würde, wusste man 1993 freilich noch nicht. "Das war keine strategische Entscheidung, sondern eigentlich ein Unfall", beschreibt die dänische Politologin Rebecca Adler-Nissen das Zustandekommen der Opt-Outs.

Raus aus Europol

Niemand hatte in Dänemark damit gerechnet, dass der Vertrag von Maastricht nicht die entsprechende Zustimmung bekommen würde. "Am Tag der Abstimmung hat unser damaliger Außenminister noch gesagt, dass die Dänen nicht nur mit 'Ja' sondern mit 'Ja, bitte' abstimmen werden", erzählt Adler-Nissen. Dass den Dänen daraufhin eine Sonderbehandlung zuteil wurde, ist dem damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl zu verdanken. Die vier anschließend ausverhandelten Opt-Outs betreffen die Währungsunion, die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit und die Unionsbürgerschaft.

Während sich die Dänen in ihrer negativen Haltung gegenüber dem Euro durch die Wirtschaftskrise heute bestätigt fühlen, bringt der Vertrag von Lissabon den Kleinstaat in anderen Bereichen gehörig in die Bredouille. Ab 2014 könnte Dänemark von Europol, der Polizeibehörde der EU, ausgeschlossen werden, weil die Institution dann nicht mehr intergovernmental, sondern supranational aufgestellt wird. "Dänemark könnte dann Hort von Menschenhandel und Schwarzarbeit werden, wenn es keine Kooperation im Grenzraum mehr gibt", befürchtet Stanislav Stanchev, Präsident der Europäischen Jugend in Dänemark. Lave Knud Broch von der "Volksbewegung gegen die EU", hält nichts von der Schwarzmalerei: "Europol kooperiert auch mit Norwegen, der Schweiz und Island. Wir können dann außerdem noch bessere Gesetze gegen den Menschenhandel implementieren, als sie von der EU vorgegeben werden." Doch selbst wenn eine Vereinbarung nach dem Vorbild Norwegens getroffen wird, "haben wir trotzdem nicht mehr dieselben Rechte wie bisher", sagt Politologin Adler-Nissen.

Angst vor Referendum

Dass Dänemark durch die Opt-Outs immer mehr ins Abseits der EU gedrängt wird, ist der politischen Elite bewusst. "Jede neue Regierung hat in ihrem Programm ein Referendum über die Opt-Outs stehen, aber niemand traut sich, es auch durchzuführen, weil man politisch nur verlieren kann", so Adler-Nissen. Bendt Bendtsen, derzeit EU-Parlamentarier der konservativen Volkspartei, ist als Minister im Kabinett von Anders Fogh Rassmussen davor zurückgeschreckt: "Wir haben damals kein Referendum gemacht, weil wir gefürchtet haben, keine Mehrheit zu kriegen." 

Derzeit zeigen Meinungsumfragen, dass eine Mehrheit der Dänen für eine Abschaffung der Opt-Outs zur Verteidigung und polizeilicher bzw. justizieller Zusammenarbeit sind. Die Chancen auf ein Referendum stehen derzeit gut, auch weil die dänische Opposition klargemacht hat, es zu unterstützen. Zwar will auch jetzt niemand so recht daran glauben, einen günstigen Zeitpunkt dafür gäbe es aber bei einer zeitgleichen Abhaltung bei der EU-Wahl im Mai 2014. Ein Anreiz, der mehr Wählerinnen und Wähler zu den Urnen bringen könnte.

Dänen besonders EU-skeptisch

Ein Beitritt zur Währungsunion und die Einführung des Euros ist für die Dänen derzeit undenkbar - vor allem wegen der Wirtschaftskrise. "Aber eigentlich ist dieses Opt-Out nur symbolisch. Die dänische Krone ist ja trotzdem an den Euro gekoppelt", sagt Adler-Nissen. "Die Königin muss auf den Münzen zu sehen sein, um mehr geht es nicht", glaubt Stanchev.

EU-Skeptiker sind in Dänemark trotzdem keine kleine Gruppe. Gallup hat erhoben, dass immerhin 39 Prozent der Dänen aus der EU austreten wollen. Derzeit wird dieser Teil der Bevölkerung im EU-Parlament von zwei Parteien vertreten. Eine ist die "Volksbewegung gegen die EU", in der sich Mitglieder sowohl linker als auch rechter nationaler Parteien zusammengeschlossen haben. Sie alle würden es bevorzugen, dass Dänemark aus der EU gänzlich austritt und über die EFTA mit den Europäischen Staaten zusammenarbeiten. Vorbilder dafür sind Norwegen oder auch Island. "Deutschland gibt in der EU den Ton an", kritisiert Lave Knud Broch, Kampagnenleiter der Volksbewegung. Die Dänische Volkspartei (DF) will zwar keinen EU-Austritt, jedoch laut EU-Parlamentarier Morten Messerschmidt ähnlich wie die FPÖ wieder mehr Souveränität in Sachen Migrations- und Sozialpolitik.

Keine Ehrfurcht vor dem Europäischen Gerichtshof

Diktate aus Brüssel sind in Dänemark besonders unbeliebt. Aufregung gab es jüngst nach einem Spruch des Europäischen Gerichtshofes. Derzeit erhält jeder dänische Student geschenktes Geld vom Staat - bis zu 760 Euro pro Monat. Nun sollen alle EU-Studenten in Dänemark in den Genuss dieser Ausbildungsunterstützung kommen, sobald sie dort einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht. Der Unwille, den Europäischen Gerichtshof als mächtige Instanz anzuerkennen, wurzelt in der politischen Kultur, so Adler-Nissen: "Wir sind in Dänemark keine großen Urteile gewohnt, es gibt keine besondere Bewunderung für Gerichtshöfe. Unsere Vorstellung von Demokratie beinhaltet, dass nichts und niemand über dem Parlament steht. Wir lieben das Parlament."

Die Ursachen der EU-kritischen Haltung vieler Dänen sind - ähnlich wie in Österreich - auch stark in der Geschichte Dänemarks zu finden, glaubt Politologin Adler-Nissen: "Nach dem Verlust von Norwegen und Schleswig-Holstein im 19. Jahrhundert hat sich Dänemark sehr stark nach innen gewandt. Der einstige pluralistische Staat war plötzlich homogen. Die Angst vor fremdem Einfluss stieg." Aber auch die Hierarchien in EU-Institutionen sind für die dänische Bevölkerung unverständlich. "Wir sprechen alle unsere Minister mit Vornamen an, jeder Politiker fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Viele fragen sich: Warum können wir Barroso nicht einfach José nennen?"

NATO-Mitglied aber kein Einsatz unter EU-Fahne

Auf der Weltbühne spielt der Kleinstaat Dänemark trotzdem regelmäßig den Großen. Das Gründungsmitglied der NATO sprach sich noch vor den USA für einen militärischen Einsatz in Syrien aus; im Irak und in Afghanistan war man ebenfalls engagiert. Umso paradoxer erscheint es, dass ein Opt-Out den Ausschluss Dänemarks von der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorsieht. "In Mali hat Dänemark zwar mit Flugzeugen den Transport der französischen Truppen übernommen. An einer EU-Battlegroup hätten wir uns aber nicht beteiligen können", erzählt Stanislav Stanchev von der Europäischen Jugend. In Somalia wird die Arbeit des dänischen Militärs ebenfalls eingeschränkt. "Dort benötigen wir eigene Verträge, um festgenommene Piraten im Hafen ausliefern zu können", kritisiert der konservative Politiker Bendt Bendtsen. Diesen unbefriedigenden Zustand würden die Dänen, hätten sie die Möglichkeit durch ein Referundum, eindeutig abschaffen. 55 Prozent sprechen sich für eine Beteiligung an der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus. (Teresa Eder, derStandard.at, 16.9.2013)