Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Tipp

Der Hohlzahn verträgt sich besser mit Sonnenblumen als der Sonnenhut – vorausgesetzt, er hat es feucht genug im Beet.

Foto: APA/Ronald Wittek

>> zur RONDO-Coverstory

Foto: embassy of music pr

Wie die meisten Gartlergeschichten beginnt auch diese mit einem Traum. Dem Gartler träumte von einem Feld voller Rudbeckien – genau genommen von der Rudbeckia fulgida, sprich: dem Niedrigen Sonnenhut. Er setzte entsprechend Jungpflanzen ein, wässerte, fütterte und wartete. Die Pflanzen wuchsen.

Neben und zwischen den Sonnenhutstauden gedieh aber auch die eine oder andere Sonnenblume vom Typ Helianthus tuberosus, kurz Topinambur genannt. Der Unterschied im Wuchs war eklatant: Während die Rudbeckia fulgida mit satten sechzig bis siebzig Zentimetern Höhe durchaus als erdverbunden bezeichnet werden darf, streckte sich die Sonnenblume gut und gerne drei Meter der Sonne entgegen.

Beide, so soll notiert sein, kommen mit viel Wassergaben zurecht. Aber nur eine der beiden verträgt echte Trockenheit, also Wüstenklima der Qualität Sommer 2013. Und wer mag das wohl sein? Natürlich die wilde, nicht überzüchtete Sonnenblume Topinambur.

Um diese zum Welken zu bringen, braucht es schon asphaltähnliche Bodentrockenheit und saharagleiche Winde. Der Topinambur würde beim Trumpfkartenspielen ähnlich dem Lamborghini Countach alles stechen. Armer Sonnenhut. Es soll für den Gärtner bitter gewesen sein, mitanzusehen, wie die teuer gekauften und schleimig erschnorrten Sonnenhüte sukzessive von den wuchernden Sonnenblumen verdrängt wurden.

Die Verdrängung geschah mittels Lichtraubs. Da der Topinambur den Sonnenhut um lockere zwei Meter überwächst, dringt kaum mehr Licht an die darbenden Rudbeckien – der Beginn eines Endes, das nach zwei Jahren tatsächlich sein Ende fand.

Zucker für den Winter

Das Feine am Topinambur sind aber nicht nur seine Wüchsigkeit und Frostfestigkeit, sondern auch die mit viel Zucker angereicherten Rhizome, qua derer er unterirdisch überwintert. Groß wie kleine Erdäpfel erfreut sich dieser Teil der Pflanze in der Proleten- wie der Spitzenküche hoher Beliebtheit. Ob roh oder geröstet, als Püree oder als Brand: Der Geschmack ist sensationell schmeichelnd.

Das Rennen um die Beetfläche hat also der Topinambur gegenüber dem Sonnenhut klar für sich entschieden. Doch im letzten Jahr stellte sich ein neuer Herausforderer dem Topinambur. Ein Wildkraut, eh omnipräsent in allen Gärten, wollte es wissen. Es wird von launigen Lateinern Galeopsis tetrahit genannt, von kundigen Gärtnern Gemeiner Hohlzahn gerufen. Eine spannende Pflanze, folgt sie doch seit dem Prähistorikum dem Homo sapiens. Wo man sie findet, waren ackerbauende und also Zäune aufstellende Menschen nicht weit. Und Zäune liebt der Hohlzahn. Einjährig und krautig schert er sich wenig um Frost und Boden, er gedeiht nahezu überall.

Gegenüber dem Topinambur startete er das Rennen um den besten Platz unter der Sonne deutlich früher, glänzte mit dunkelgrünem, chlorophyllschwangerem Laub und zügigem Wachstum. Der Topinambur zog nach, überholte den massiv wuchernden Hohlzahn Anfang August und zog lässig winkend vorbei. Doch nicht die Höhe des Konkurrenten war des Hohlzahn Problem, es war die Trockenheit: Während die Topinamburpflanzen kerngesund wuchsen und wuchsen, verdorrte der Hohlzahn Pflanz um Pflanz.

Der heiße August war der nicht gerade unparteiische Schiedsrichter dieses Rennens und befand: Helianthus tuberosus heißt der bislang unbesiegte Sommer-Champion aller Beetsklassen. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 13.9.2013)