Blickt in die Nanowelt der Pflanzen: Notburga Gierlinger.

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Forscherin zu werden hat Notburga Gierlinger weder beschlossen noch geplant: "Es hat sich einfach ergeben, indem ich immer das für mich Spannendste machte." Im Juni wurde ihre Arbeit mit einem Start-Preis - vergeben durch Wissenschaftsministerium und Wissenschaftsfonds FWF - belohnt.

Da war sie bereits von der Universität für Bodenkultur in Wien nach Zürich gewechselt, wo sie eine Postdoc-Stelle in der Arbeitsgruppe Wood Materials Science an der ETH Zürich ergattert hatte. Mit dem Start-Preisgeld finanziert die Botanikerin nun eine eigene Arbeitsgruppe zu der Frage: Wie sind pflanzliche Oberflächen und Grenzflächen auf Mikro-, Nano- und molekularer Ebene aufgebaut, um bestimmte Funktionen zu erfüllen?

Besonderes Interesse hegt sie für Strukturen, mit denen sich Pflanzen an eine trockene Umwelt anpassen. Die Zellen erfolgreich abzudichten war eine Grundvoraussetzung für Grünpflanzen, um den Weg aus dem Wasser an Land zu schaffen. Zudem werden trockene Perioden und Extremereignisse im Klimawandel auf lange Sicht zunehmen. Die pflanzliche Vielfalt in verschiedenen Lebensräumen und ihre Funktionsweise haben sie schon immer mehr fasziniert als Artenkenntnis mit lateinischen Namen.

Die gebürtige Oberösterreicherin studierte Botanik in Salzburg, wo sich kurze Wege und die Nähe zu Bergen und Seen gut verbinden ließen. Nach dem Diplom begann sie das Aufbaustudium Technischer Umweltschutz und arbeitete in einem Umweltanalytiklabor. Die Dissertation ergab sich durch ein EU-Projekt an der Boku - die mit ihrer multidisziplinären Ausrichtung Platz acht im internationalen Holzforschungsranking einnimmt. Es folgte ein Jobangebot vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam, wo sie sich auf Mikrospektroskopie spezialisierte und ihr Wissen über das Bauprinzip natürlicher Materialien wie Holz, Knochen oder Muschelschalen erweiterte.

Für ihre Arbeitsgruppe am Department für Materialwissenschaften und Prozesstechnik an der Boku schafft Notburga Gierlinger nun ein kostspieliges Raman-Mikroskop an, mit dem der molekulare Aufbau auf Mikroebene untersucht wird: "Ein Raman-Image besteht aus tausend einzelnen Spektren, die uns die Molekülschwingungen und somit den molekularen Aufbau des pflanzlichen Materials auf Mikroebene zeigen", erläutert die 42-jährige Forscherin.

Auch mit einem viele Jahre geschulten Blick ist die Mikro- und Nanowelt der Pflanzen für sie schön anzusehen und genial, weil optimiert für die jeweilige Funktion. In ihrem Fokus stehen Flächen, die von drei wasserscheuen pflanzlichen Baustoffen gebildet werden, den Biopolymeren Lignin, Suberin und Cutin. Sie ermöglichen Landpflanzen einen gesteuerten Wasserhaushalt.

Fichte, Pappel und Zwenke werden als Modellorganismen stellvertretend für die Gruppen - Nadelbäume, Laubbäume und Gräser - untersucht. Für besondere Anpassungen werden Pflanzen von alpinen Extremstandorten und Individuen in einem künstlich herbeigeführten Trockenstress einbezogen.

Auch in ihrer Freizeit ist die Forscherin am liebsten in der Natur unterwegs. Je nach Laune mehr oder weniger sportlich - in der Wiese liegend, wandernd, Rad fahrend, laufend oder kletternd. (Astrid Kuffner, DER STANDARD, 11.9.2013)