derStandard.at: Herr Gaishofer, was ist eigentlich kommunistisch an der KPÖ?

Gaishofer: Gute Frage ...

derStandard.at: Ist das überhaupt wichtig? Oder ist die KPÖ so kommunistisch, wie die FPÖ freiheitlich ist?

Gaishofer: Was an der KPÖ kommunistisch oder jedenfalls anders ist als bei anderen Parteien, ist, dass wir prinzipiell gegen das neoliberale kapitalistische System sind. Wir wollen das System nicht nur irgendwie reparieren, sondern uns für eine andere, solidarische Gesellschaft stark machen. Und: Wir haben einen vollkommen anderen Kommunismusbegriff als vor 30, 40 Jahren. Viele Leute assoziieren uns immer noch mit Stalin oder Nordkorea. Damit hat die KPÖ aber zum Glück überhaupt nichts zu tun. Sonst wäre ich auch nicht dabei.

derStandard.at: Die SPÖ sagt, dass nicht jene für die Krise bezahlen sollen, die sie nicht zu verantworten haben, daher müsse man das System reformieren – Stichwort Vermögenssteuern. Ich nehme an, das sagen Sie auch. Wo gehen Sie noch weiter als die SPÖ?

Gaishofer: Wir unterstützen Vermögenssteuern natürlich auch und wollen den Kapitalverkehr einschränken. Was uns auch wichtig ist: Die Krisen sind nicht als Einzelereignisse zu sehen, wo ein böser Mensch daran schuld ist. Sondern die Krise ist systematisch im Kapitalismus, sie wird immer wiederkommen. Man muss deshalb die Realwirtschaft stärken und die gesamte Wirtschaft demokratisieren.

derStandard.at: Wie lässt sich die Wirtschaft demokratisieren?

Gaishofer: Indem man zum Beispiel Aufsichtsräte mit Teilen der Öffentlichkeit oder Teilen der Belegschaft besetzt. Und indem man die Wirtschaft nicht nur auf Profitgewinn ausrichtet, sondern auf einen realen Nutzen für den Menschen.

derStandard.at: Wie kann man verhindern, dass die Belegschaftsvertreter dann nicht erst in die eigene Tasche wirtschaften?

Gaishofer: Wenn es Kontrollen gibt und man Korruptionsfälle streng bestraft. Ganz verhindern wird man es wahrscheinlich nie können.

derStandard.at: Warum sollten junge Menschen die KPÖ wählen?

Gaishofer: Viele unserer Themen betreffen junge Menschen ganz besonders, zum Beispiel Wohnungssuche, Arbeitssuche, Ausbildung. Die KPÖ möchte nicht für die Menschen Politik machen, sondern mit den Menschen.

derStandard.at: Wo lässt die KPÖ junge Menschen mitreden?

Gaishofer: Ich glaube, dass junge Menschen in der KPÖ ernst genommen werden und auch in programmatische Diskussionen einbezogen werden.

derStandard.at: Das sagen alle Parteien von sich.

Gaishofer: Ja.

derStandard.at: Wie war das bei Ihnen?

Gaishofer: Ich bin selber auf die Partei zugegangen, habe sie angeschrieben und habe mich mit dem Genossen Didi Zach (Wiener Landessprecher, Anm.) auf einen Kaffee getroffen.

derStandard.at: Sagen Sie das wirklich so, "Herr Genosse"?

Gaishofer: Ja, das ist ein bisschen antiquiert, ich weiß, aber ich benutze das schon ab und an.

derStandard.at: Was motiviert jemanden, sich für eine Partei zu engagieren, die zwar zu jeder Nationalratswahl antritt, aber nie den Einzug schafft?

Gaishofer: Das Argument hören wir im Wahlkampf auch oft: Dass wir zwar gute Ideen haben, aber dass es eine verlorene Stimme ist, weil wir nie ins Parlament kommen werden. Aber ich glaube einfach, dass es wichtig ist, dass man eine Partei hat, die wirklich links ist. Ein SPÖ-Vertreter wollte mich einmal abwerben, er hat gemeint, dass ich irgendwann frustriert sein werde, wenn ich bei der KPÖ bleibe. Aber ich habe ihm gesagt: Na ja, auf der anderen Seite sollten die SPÖler auch frustriert sein, wenn sie eine linke Politik wollen und dann sehen, was ihre Partei in der Regierung macht. Ich denke mir: Wenn wir das nicht machen, wird sich vielleicht nie etwas ändern. Gerade in Zeiten wie diesen ist linke Politik wichtig.

derStandard.at: In jeder Partei gibt es Generationenkonflikte. Wie sehen diese Konflikte in der KPÖ aus?

Gaishofer: Manche älteren Genossen und Genossinnen sind von früher vielleicht noch eine andere Diskussionskultur gewöhnt. Dass früher alles vielleicht ein bisschen strammer war, mit weniger Widerspruch. Die KPÖ ist ja extrem vielfältig, mit vielen Diskussionen, was sehr cool ist und total interessant, aber manchmal ist es auch anstrengend – wenn man zum Beispiel in gewissen Punkten eh einen Grundkonsens hat, und dann wird über Detailfragen stundenlang diskutiert.

derStandard.at: Ist der Begriff Sozialpartnerschaft für Sie eher positiv oder negativ besetzt?

Gaishofer: Eher negativ. In Österreich wird sie ja immer sehr gelobt, in früheren Zeiten hat das vielleicht auch durchaus eine Berechtigung gehabt, aber heutzutage stehen bei Verhandlungen immer die Arbeitnehmer auf der Verliererseite. Wir vertreten den Standpunkt, dass Gewerkschaften kämpferischer sein sollten.

derStandard.at: So wie die Lehrergewerkschaft?

Gaishofer: Bei der Frage des Lehrerdienstrechts bin ich ehrlich gesagt überfragt. Prinzipiell sind wir für eine Reformierung des Schulsystems, aber es darf dabei nicht zu Verschlechterungen für die Lehrer und Lehrerinnen kommen. Bei den Verhandlungen werden ja Lehrer immer als Buh-Berufsgruppe des Landes dargestellt. Das ist einfach falsch. Die Solidarität zwischen den Berufsgruppen sollte gefördert werden – wir sitzen ja alle im selben Boot.

"Die Arbeitnehmer stehen immer auf der Verliererseite", sagt KPÖ-Kandidat Bernhard Gaishofer.
Foto: derStandard.at/vonusslar

derStandard.at: Gibt es ein Politikfeld, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Gaishofer: Sozialpolitik. Für uns wäre es wichtig, vermögensbezogene Steuern einzuführen – und zwar für Superreiche, nicht für Schrebergartenbesitzer. Fünf Prozent der Bevölkerung haben fast 60 Prozent des Vermögens, das ist ein Wahnsinn. Wenn man nur einen kleinen Teil davon besteuern oder die Steuerflucht unterbinden würde, wären das Milliarden, die man in soziale Projekte investieren könnte.

derStandard.at: Ab wann verdient jemand zu viel?

Gaishofer: Konkret kann ich das nicht beantworten. Aber heutzutage verdienen ja Manager zum Teil das Fünfzigfache eines Facharbeiters. Das ist in keinster Weise gerechtfertigt. Wir wollen ja nicht, dass jeder gleich viel verdient. Aber so viel Mehrarbeit kann man nicht leisten, dass das Fünfzigfache gerechtfertigt wäre.

derStandard.at: Sollte der Staat das regulieren?

Gaishofer: Ja. Und wir fordern Höchstpreise für Grundnahrungsmittel und Medikamente. Das wäre die einzig wirksame Maßnahme gegen die Inflation – das hat sogar der Herr Häupl gesagt. Und er hat auch gesagt: Die Einzigen, die das fordern, sind wir von der KPÖ. Also quasi eine indirekte Wahlempfehlung des Herrn Häupl.

derStandard.at: Der Handel würde die niedrigeren Preise aber wohl an die Produzenten weitergeben. Wollen Sie das?

Gaishofer: Man muss differenzieren, ob das Produkt von einem Großkonzern kommt oder von einem Kleinbauern. Wir würden regionale und biologische Produkte fördern.

derStandard.at: Die KPÖ hat die österreichische Asylpolitik auf ihrer Website als "zum Kotzen" beschrieben. Wie würde eine Asylpolitik der KPÖ aussehen?

Gaishofer: Was Migration betrifft: Jeder Mensch, der in Österreich seinen Lebensmittelpunkt hat und hier arbeitet, soll auch Rechte erhalten, die auch allen Österreichern zustehen – Wahlrecht zum Beispiel. Wenn man Verpflichtungen hat wie Steuerzahlen, soll man auch Rechte bekommen.

derStandard.at: Sollen Ausländer auch bei der Nationalratswahl wählen dürfen?

Gaishofer: Ja, das wäre eine Verbesserung.

derStandard.at: Würde es unter einer KPÖ-Regierung Abschiebungen geben?

Gaishofer: Nein, das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Abschiebungen würde es bei uns nicht geben. Abschiebung ist prinzipiell Mord – gerade in Bezug auf die pakistanischen Flüchtlinge in der Votivkirche. Die kommen ja erwiesenermaßen aus einem Gebiet, wo religiöse Fundamentalisten die Bevölkerung massakrieren. Dass man sie einfach zurückschickt, ist ein Wahnsinn.

derStandard.at: Die Innenministerin meint, wenn man die Gesetze lockert, wollen alle nach Österreich.

Gaishofer: Das glaube ich nicht. Auch wenn die Gesetze gelockert werden, ist das Leben in Österreich immer noch schwer genug. Man kann Menschen, die vor Not und Elend fliehen, nicht einfach zurückschicken. Auch wenn das sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge sind: Diese Menschen kommen ja aus Ländern, die deshalb arm sind, weil wir davon profitiert haben, dass sie arm sind. Deswegen wäre es scheinheilig, wenn wir jetzt behaupten, wir werden überrannt. (Maria Sterkl, derStandard.at, 11.9.2013)