Mehr Obstbäume für die Produktion von Marmelade? Das Stadtgartenamt ist nicht begeistert.

Foto: stadtfruchtwien

"Wir rücken ungenützte Stadtfrüchte ins Licht der Wahrnehmung": So lautet die Mission der Initiative Stadt Frucht Wien, die sich für urbane Selbstversorgung einsetzt. Denn überall in der Stadt gebe es Obstbäume, deren Früchte oft nicht geerntet würden und darum verfaulen.

Um auf diese regionale Nahrungsressource aufmerksam zu machen, organisiert die Gruppe seit eineinhalb Jahren gemeinsame Erntetouren in Wien mit anschließender Verarbeitung. Dabei bedienen sich die Beteiligten sich aber ausschließlich an Bäumen, die auf öffentlichen Flächen stehen.

Zehn Prozent Obstbäume

Nun hat es sich die Initiative zum Ziel gesetzt, vermehrt Obstbäume im öffentlichen Raum zu pflanzen - vor allem alte, seltene Sorten. Um diesem Anliegen Gehör zu verschaffen, wurde im Juli die Unterschriften-Petition "Recht auf Marmelade" gestartet.

Diese richtet sich an die Gesetzgebung und Verwaltung der Stadt und fordert, dass zehn Prozent der rund 2.000 Bäume, die das Stadtgartenamt (MA 42) jedes Jahr pflanzt, Obstbäume sein sollen. Ebenso sollen zehn Prozent der Sträucher Fruchtsträucher sein.

Unterschreiben können die Petition alle Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet und ihren Hauptwohnsitz in Wien haben. Möglich ist das sowohl elektronisch als auch auf Papier, bei 500 Unterschriften wird das Gesuch im Petitionsausschuss des Gemeinderats behandelt. "Was das genau heißt, werden wir jetzt austesten", sagt Peter Krobath, freier Journalist und Initiator der Petition.

Mehr als nur kulinarische Bedeutung

Das Projekt hat aber nicht nur eine kulinarische Bedeutung, erklärt Krobath. "Der Titel ist ein direkter Verweis auf die 'Recht auf Stadt'-Bewegung, die ein neues Verständnis von Urbanität hat und einfordert." Die Bäume sollen Urban Commons sein, also städtische Gemeingüter, die allen frei zur Verfügung stehen und gemeinschaftlich genutzt werden. "Dabei geht es darum, die Verwertung von Ressourcen nicht über Profitstreben zu organisieren."

Die Marmelade habe man bewusst gewählt, so Krobath: Sie stehe für ein Subsistenzprodukt, das viele Menschen noch selbst herstellen - es sei also noch nicht ganz einem marktwirtschaftlichen Verwertungsprozess unterworfen.

Alte, seltene Sorten, die es nicht im Supermarkt gibt

"Wir wollen ein neues Bewusstsein und Interesse für diese kostenlose und umweltfreundliche Nahrungsressource schaffen", sagt Krobath. Die Wiener sollen in weiterer Folge die Möglichkeit bekommen, Patenschaften für die Bäume zu übernehmen und sich um diese kümmern. "Mehr Obstbäume erhöhen die Biodiversität in der Stadt. Außerdem sind neue Geschmacksabenteuer möglich", sagt Krobath. Denn es sollen vor allem seltene Obstarten angepflanzt werden, die im Supermarkt nicht erhältlich sind.

Ein Beispiel, wo das urbane Obstpflücken bereits funktioniert, sind die Steinhofgründe, wo die Früchte von rund 1.600 Obstbäume zur freien Entnahme stehen. "Die Bäume dort werden fleißig beerntet", sagt Krobath.

Obstbäume nicht geduldet

Trotzdem ist das Wiener Stadtgartenamt von dem Vorhaben, mehr Obstbäume zu pflanzen, nicht begeistert. Im Rahmen der Wienwoche im vergangenen Jahr hat die Initiative gemeinsam mit der Künstlergruppe Kuserutzky Klan im Ostarrichipark - so heißt die Wiese zwischen der Österreichischen Nationalbank und dem Wiener Landesgericht im neunten Gemeindebezirk - Obstbäume in Trögen aufgestellt. Dort hätten sie zwei Jahre stehen sollen. Mit Ende der Wienwoche mussten sie jedoch wieder entfernt werden.

"Das Stadtgartenamt befürchtet, dass durch das Obst die städtischen Grünanlagen verschmutzt und Insekten angezogen werden", erklärt Krobath. Diese Bedenken werden von den Wiener Stadtgärten bestätigt: "Wir haben keine guten Erfahrungen mit fruchttragenden Obstgehölzen in Parkanlagen gemacht, denn sie hatten nur eine geringe Überlebenschance", erklärt Gabriele Thon, Öffentlichkeitsarbeiterin des Stadtgartenamts. Neben Ästen, die von Obstpflückern abgebrochen wurden, sei es auch immer wieder zu gefährlichen Situationen gekommen, weil Menschen auf Bäume kletterten.

Geruchsbelästigung und Wespenplagen

Des Weiteren habe es Beschwerden über die Geruchsbelästigung und Wespenplagen durch Fallobst gegeben. Auch die Einhaltung von Hygienevorschriften für Lebensmittel könne in Parkanlagen nicht garantiert werden. "Aufgrund dieser Erfahrungen wird seitens der Wiener Stadtgärten von Obstgehölzpflanzungen in Parkanlagen Abstand genommen", sagt Thon.

Für Krobath sind diese Einwände nicht nachvollziehbar: Denn die Stadt-Frucht-Initiative wolle vor allem widerstandsfähige, robuste Sorten pflanzen, die ohne großen Betreuungsaufwand auskommen. (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 11.9.2013)