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Die Grünen fordern ein organisiertes Screening und Maßnahmen die den PAP-Abstrich treffsicherer machen.

Erster, Letzter, Erster: Wenn es um die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) geht, zeigte sich Österreich in den vergangenen Jahren sehr wankelmütig. Während der oberste Sanitätsrat 2007 als erster innerhalb der EU die Impfung für alle 9- bis 17-Jährigen empfahl, und das möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr, galt Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) jahrelang als Gegner. Er wolle den Impfstoff nicht ins nationale Impfprogramm übernehmen, weil er in Fachkreisen umstritten und der Preis von den Herstellern zu hoch angesiedelt sei.

Aber in Zeiten des Wahlkampfes werden manche Positionen neu bewertet. Pünktlich vor der Nationalratswahl gab das Gesundheitsministerium nun bekannt, dass die HPV-Impfung ab Februar 2014 für Kinder ab der vierten Klasse Volksschule kostenfrei sein wird. Begründet wurde das mit dem medizinischen Fortschritt, der die ursprünglich dreigeteilte Impfung auf zwei Teilimpfungen reduziert habe. Damit ist Österreich das letzte EU-Land, das die HPV-Impfung staatlich unterstützt - aber das erste, das die Kosten für Mädchen und Buben gleichermaßen übernimmt.

Viren bleiben unbemerkt

Humane Papillomaviren sind dafür bekannt, dass sie Haut- und Schleimhautzellen infizieren und neben gutartigen warzenähnlichen Hautveränderungen auch Karzinome verursachen. Zwei HPV-Typen, nämlich Typ 16 und 18, gelten als Hochrisiko-Viren, weltweit werden diese für 70 Prozent der Erkrankungen an Gebärmutterhalskrebs verantwortlich gemacht. 2010 erkrankten laut Statistik Austria 380 Frauen daran, wovon 161 verstarben - insgesamt 278 Fälle wurden von den HPV-Typen 16 und 18 verursacht.

Die Viren sind weit verbreitet, werden beim Geschlechtsverkehr übertragen und bleiben unbemerkt, weil sie keine Symptome hervorrufen. Besonders junge Frauen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern sind von HPV-Infektionen betroffen. Über 90 Prozent der Frauen zwischen 15 und 25 Jahren, deren Krebsabstriche über Jahre analysiert wurden, hatten die Viren intus. "Bei einem Großteil aller Menschen ist das Virus nach sechs bis zwölf Monaten wieder weg", sagt der Gynäkologe Paul Speiser. Bleibt HPV längere Zeit im Körper und bildet sich nicht zurück, können Vorstufen von Krebserkrankungen auftreten, die mit Hilfe des PAP-Abstriche erkannt und in weiterer Folge ensprechend behandelt werden.

Ursache für viele Krebserkrankungen

HP-Viren können nicht nur zu Gebärmutterhalskrebs führen, sondern sind auch mit anderen Karzinomen, insbesonders im Mund-, Rachen- und Analbereich assoziiert: Daten aus den USA prognostizieren gerade bei Männern eine erhebliche Zunahme der Tumore vor allem im Bereich der Mundhöhle (siehe Interview). Daher wurden auch Buben in das nationale Impfprogramm aufgenommen.

"Längst überfällig" sei diese Entscheidung etwa für Speiser. Doch die Kritiker lassen nicht lange auf sich warten. Bei dem ganzen Aufsehen um die HPV-Impfung solle etwa die Vorsorgeuntersuchung nicht außer Acht gelassen werden. So betonen die Grünen deren Relevanz und haben einen Antrag an das Gesundheitsministerium gestellt, in dem sie unter anderem wissen wollen, welche Maßnahmen geplant sind, um den PAP-Abstrich treffsicherer zu machen. Gleichzeitig fordern sie ein organisiertes Screening, damit die Vorsorgeuntersuchung von mehr Frauen genutzt wird.

Kosteneffektivität für manche fraglich

Für eine umfassendere Krebsvorsorgestrategie statt einer HPV-Impfung plädiert auch Ingrid Zechmeister-Koss vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Health Technology Assessment in einem STANDARD-Kommentar. Vor vier Jahren hat das Institut einen Endbericht herausgebracht, wonach eine hohe Unsicherheit und Kosten nicht für die Effektivität des Impfstoffes sprächen. Unsicher sei etwa, wie lange der Impfstoff wirke und ob er effektiv die Zahl von Gebärmutterhalskrebs senken könne.

Die Berechnungen des Instituts hätten aber große Schwächen, kritisiert Speiser. Die Untersuchung fokussiere sich nur auf den Gebärmutterhalskrebs und stelle nicht das gesamte Potential dar, das die Impfung in der Vermeidung von HPV-assoziierten Krankheiten habe - wie etwa die Wirkung auf andere Karzinome und auch den Nebeneffekt, dass operative Eingriffe von Krebsvorstufen längerfristig vermieden werden können.

Rückgang von Genitalwarzen

Vom Auftreten der ersten Krebsvorstufen bis zum Karzinom dauert es Jahre bis Jahrzehnte - derzeitige Studien können also nur den Rückgang von HPV-Infektionen, nicht aber jenen von Gebärmutterhalskrebs nachweisen.

Die ersten Ergebnisse der HPV-Impfung in Australien wurden vor einigen Monaten publiziert, ist es doch eines der ersten Länder, das die HPV-Impfung eingeführt hat: Bereits 2007 wurde der Impfstoff in das nationale Impfprogramm aufgenommen und damit eine hohe Durchimpfungsquote erreicht. Genitalwarzen, die durch HP-Viren verursacht werden, sind laut dieser Studie bei Frauen unter 21 Jahren von 11 Prozent auf 0,85 Prozent, bei den 21- bis 30-Jährigen von 11,3 auf 3,1 Prozent zurückgegangen - bei den über 30-Jährigen konnte kein signifikanter Rückgang festgestellt werden.

Auch bei Männern, die nicht geimpft waren, sank der Anteil an Genitalwarzen deutlich - die Herdenimmunität hat laut dieser Studie Früchte getragen: Geimpfte Frauen übertrugen das Virus nicht mehr an ihre männlichen Sexualpartner. Bei den über 18-Jährigen konnte allerdings kein Rückgang von Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs entdeckt werden.

Japan rudert zurück

Wie sehr sich die HPV-Impfung längerfristig auf die Entstehung der Tumore des Mund-, Rachen-, Anal- und Genitalbereichs auswirkt, können nur Langzeituntersuchungen klären. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor hat Japan kürzlich dazu bewogen, seine Impfempfehlung zurückzuziehen: etwaige Nebenwirkungen. Seit 2010 wurden rund 3,24 Millionen Menschen geimpft, 1.986 Fälle von möglichen Impfreaktionen wurden in dieser Zeit gemeldet, darunter Schmerzen und Taubheitsgefühle. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und möglichen Nebenwirkungen wurde bisher aber nicht gefunden.

Auch was Todesfälle betrifft, herrscht Uneinigkeit: Wie "Medizin Transparent" berichtet, gingen bei der Europäischen Arzneimittelbehörde zwei Meldungen zu Todesfällen mit unbekannter Ursache nach einer Impfung ein. Es konnte allerdings kein Zusammenhang gefunden werden.

Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2011 hat zudem ergeben, dass kein erhöhtes Risiko für das Auftreten schwerer Komplikationen vorhanden sei. "Es gibt derzeit keinen dokumentierten Todesfall, der auf die Impfung zurückzuführen wäre", bestätigt Speiser. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 6.9.2013)