London - Die Affäre um den Tod des britischen Waffenexperten David Kelly hat sich zur größten Krise der Londoner Regierung ausgeweitet. Die Nachrichtenagentur AFP gibt einen Überblick über die Schlüsselfiguren des Falls:

PREMIERMINISTER TONY BLAIR hat alle Rücktrittsforderungen im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Übertreibung der Gefahr durch irakische Waffen zurückgewiesen. Er sagte aber seine volle Zusammenarbeit bei den Ermittlungen zu, die die Todesumstände Kellys aufklären sollen. Blair hatte gegen die öffentliche Meinung in seinem Land die USA im Irak-Krieg unterstützt. Nun gerät er mit jedem Tag, an dem keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden werden, weiter unter Rechtfertigungsdruck. Die Affäre um den mutmaßlichen Selbstmord Kellys bescherte dem seit 1997 amtierenden Premier ein beispielloses Umfragetief.

REGIERUNGSBERATER DAVID KELLY war der Hauptinformant des Rundfunksenders BBC für dessen Bericht Ende Mai, wonach die Regierung in London die Gefahr angeblicher irakischer Massenvernichtungswaffen aufbauschte, um so den Irak-Krieg zu rechtfertigen. Kelly, 59-jähriger Vater dreier Töchter, wurde am 18. Juli mit aufgeschnittener Pulsader tot aufgefunden.

BBC-REPORTER ANDREW GILLIGAN brachte den Stein ins Rollen, als er am 29. Mai über die Verwendung dubioser Geheimdienstinformationen zum Irak durch die Londoner Regierung berichtete. Der Verteidigungs- und Außenexperte arbeitet seit drei Jahren für das morgendlichen Radioprogramm "Today".

ALASTAIR CAMPBELL ist Blairs Kommunikationsberater und laut Gilligan als solcher verantwortlich für die in einem Regierungsdossier aufgestellte Behauptung, der Irak könne binnen 45 Minuten Massenvernichtungswaffen aktivieren. Der parlamentarische Außenausschuss sprach Campbell zwar vom Vorwurf der Manipulation frei, monierte aber die Veröffentlichung eines "unzuverlässigen" Geheimdienstdossiers. In den vergangenen Tagen kursierten Gerüchte über einen Rücktritt des 46-Jährigen, der auch "Fürst der Finsternis" genannt wird.

VERTEIDIGUNGSMINISTER GEOFF HOON geriet im Zuge der Kelly-Affäre zunehmend in die Kritik. Am 9. Juli nannte sein Ministerium Kelly als möglichen Informanten der BBC, die seinen Namen zunächst geheimgehalten hatte. Es wird gemutmaßt, dass der Biowaffenexperte als Sündenbock dienen sollte.

LORD BRIAN HUTTON leitet die Ermittlungen zum Tod Kellys. Der 72-Jährige ist einer der angesehensten Richter Großbritanniens. Er versprach eine zügige, transparente und unabhängige Untersuchung.

BBC-NACHRICHTENDIREKTOR RICHARD SAMBROOK stellte sich im Streit mit Downing Street bedingungslos hinter seinen Mitarbeiter Gilligan. Sollte sich herausstellen, dass dessen Behauptungen nicht hieb- und stichfest sind, könnte das den 47-Jährigen seinen Posten kosten.

Auch BBC-PRÄSIDENT GAVYN DAVIES und GENERALDIREKTOR GREG DYKE verteidigten Gilligan vorbehaltlos. Beide stehen der Labour-Regierung nahe und sahen in der Affäre offenbar eine Gelegenheit, die politische Unabhängigkeit der BBC unter Beweis zu stellen. Ihr Krisenmanagement ist umstritten: Abgeordnete forderten bereits ihren Rücktritt. (APA/AFP)