Felix Baumgartner

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Er hat nicht Shakespeare lesen müssen, um zu wissen, dass ein tiefer Fall oft zu höherem Glück führt. Felix Baumgartner ist so tief gefallen wie kein anderer Mensch, ist von Brücken und Felsen, von der Jesus-Statue in Rio und von einem der 451 Meter hohen Petronas-Türme in Kuala Lumpur gefallen. Doch weil sich der Mensch an alles gewöhnt, war Baumgartner das Fallen eines Tages nicht mehr genug. Er wollte fliegen.

Gestern ist Felix Baumgartner geflogen. Über den Ärmelkanal, ganz ohne motorischen Antrieb, nur mithilfe eines Flügels. Das kann man dann schon gelten lassen, denn ohne Flügel wären auch Vögel arm dran. Um exakt 6.09 Uhr MESZ fiel Baumgartner in 10.000 m Seehöhe über Dover aus einem Transportflugzeug, bald hatte er 360 Sachen drauf und dank des Flügels (Spannweite: 180 cm) einen Gleitwinkel erreicht, der ihn 35 Kilometer bewältigen ließ.

Über Calais zog Baumgartner an einer Leine, ein Fallschirm öffnete sich, um 6.13 Uhr hatte der Österreicher wieder festen Boden unter den Beinen. Und genug Luft, um zu sagen: "Ich hab' mich wie ein Vogel gefühlt. Es war toll da oben über den Wolken."

Baumgartner ist Salzburger und 34 Jahre alt, als Extremsportler dient er der Firma Red Bull, die wiederum ihm dient, weshalb man Baumgartner durchaus als Vollprofi bezeichnen kann. Bevor er Vollprofi wurde, hatte der Sohn eines Tischlers und einer Hausfrau den Traum, eines Tages seinen eigenen Porsche zu besitzen. Als gelernter Maschinenschlosser und KFZ-Mechaniker wird man ja noch träumen dürfen.

Mit 16 tat er seinen ersten Fallschirmsprung, ganz normal, aus dem Flugzeug, dann kam er durch einen Freund zum BASE-Jumpen. BASE ist eine Abkürzung, das B steht für building, das A für antenna tower, das S für span und das E für earth. Nur wer von Hochhäusern, Funktürmen, Brücken und Felsen gehüpft ist, darf sich BASE-Jumper nennen und kriegt wie Baumgartner einen Codenamen ("BASE 502") und eine Lizenz.

BASE-Jumpen kostet jedes Jahr ein Dutzend Sportler das Leben. Auch der Ärmelkanal-Flug war nicht ungefährlich. Doch Baumgartner sagt, dass er am Leben hängt. "Was mich reizt, ist nicht allein das Risiko. Mir geht es darum, durch genaue Planung das Risiko zu minimieren." Auf das Ärmelkanal-Projekt hat er sich drei Jahre lang akribisch vorbereitet, es galt Genehmigungen einzuholen, den Flügel zu entwickeln, zu testen.

Kürzlich war Baumgartner Protagonist des "World Stunt Awards", er flog mit einem Flugzeug um die Wette, das Flugzeug wurde Zweiter. Nun träumt der Mann, den sie den "crazy man from Austria" nennen, von einer eigenen Show in Hollywood. Den Porsche hat sich Felix Baumgartner übrigens schon zugelegt. Und gezahlt hat er bar. (Fritz Neumann, DER STANDARD Printausgabe 01.08.2003)