"Soll Gentechnik den Menschen dienen oder einzelnen Firmen?", fragt sich Armin Djamei, der die gezielte Manipulation des Pflanzenerbguts als Chance sieht, um Hunger zu bekämpfen.

Foto: STANDARD/Corn

Der Homo academicus ist ein Wanderer. Wer heute als Wissenschafter Erfolg haben will, muss alle paar Jahre den Lebensmittelpunkt verlegen. Dorthin, wo die besten Arbeitsbedingungen herrschen. So lautet das ungeschriebene Gesetz, das zumindest für Jungforscher gilt. Für Armin Djamei war das keine große Umstellung, denn der Wechsel zwischen Ländern und Kulturen begleitet ihn seit der Kindheit. Geboren ist er in Teheran, der Vater Iraner, die Mutter Deutsche. Kurz vor der iranischen Revolution zog seine Familie in die Schwäbische Alb. Nach der Matura ging Djamei für anderthalb Jahre nach Israel, um den Zivildienst zu leisten.

Das Studium der Biologie absolvierte er in Marburg, seine Dissertation machte er in Wien. Dann folgte der Postdoc am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Nun wieder nach Wien: Am Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie im dritten Bezirk baut Djamei soeben eine Arbeitsgruppe auf, die das Verhältnis von Pflanzen und ihren Parasiten erkundet. Welche molekularen Tricks verwenden Pilze, um die Maispflanze zu manipulieren? Das ist die Grundfrage seiner Forschung.

Die Welt der Moleküle

"Die Natur hat mich immer schon interessiert", sagt Djamei im Gespräch mit dem STANDARD. "Als ich sechs Jahre alt war, fragte mich meine Mutter: 'Was möchtest du einmal werden?' Ich antwortete: 'Weltforscher.' " Die ganze Welt wurde es nicht, aber die Moleküle: "Zu Beginn war der Universitätsbetrieb eine starke Umstellung", erzählt Djamei. "Ich kam von einer Waldorfschule und war nicht auf das Leistungsprinzip getrimmt."

Das sollte sich schnell legen. Ein Leistungsstipendium finanzierte das Studium, dann folgte die Diplomarbeit über Blaulichtrezeptoren bei der Ackerschmalwand. Arabidopsis heißt die Pflanze offiziell. Sie ist der Modellorganismus Nummer eins in diesem Feld - quasi die Drosophila der Pflanzenforschung. "Das war traumatisch", sagt Djamei. "Der Rezeptor baut sich bei Licht ab und ist außerdem temperaturempfindlich. Er zerfällt, wenn man ihn nur ansieht. Neun Monate Diplomarbeit bei Rotlicht und vier Grad im Kühlraum. Und noch dazu im Winter: Ich kam bei Dunkelheit ins Labor, ging in den Dunkelraum und fuhr bei Dunkelheit nach Hause. Da wusste ich: In Zukunft arbeite ich mit Proteinen, die nicht so labil sind."

MAP-Kinasen - jene Enzyme, mit denen Djamei bei seiner Dissertation arbeitete -, sind in der Tat sehr stabil: Sie leiten Stresssignale weiter, bei Tieren wie bei Pflanzen. Das Ergebnis seiner Versuche veröffentlichte Djamei im Fachblatt Science (Bd. 318, S. 453). "Der beste Angriff ist die Verteidigung von jemand anderem" titelte das renommierte US-Journal im Oktober 2007. Der deutsche Jungforscher hatte eine perfide Strategie entdeckt, derer sich die Mikrobe Agrobacterium tumefaciens bedient. Infiziert das Bakterium eine Wirtspflanze, reagiert Letztere umgehend mit einem durch MAP-Kinasen vermittelten Stresssignal. Daraufhin wandert ein Alarmprotein in den Zellkern. Doch die Mikrobe profitiert davon: Sie koppelt den eigenen DNA-Transport an das in den Kern wandernde Wirtsprotein und integriert Teile seiner eigenen DNA auf diese Weise in das Erbgut der Pflanze. Resultat: Die Gene des Parasiten führen fortan in der Pflanze ein Eigenleben und lösen die Bildung von Tumoren aus. Für die Pflanze ist das schlecht, für die Bakterien gut - dank des Wirtsproteins, das als Trojanisches Pferd benutzt wird.

Manipulieren mit Tricks

Die manipulativen Begabungen von Parasiten blieb fortan Djameis Thema. In der Postdoc-Phase untersuchte er die Interaktion von Maispflanzen und Pilzen. Auch Letztere haben erstaunliche Tricks entwickelt, um ihre Wirte für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Sie schleusen bis zu 300 kleine Proteine in die Wirtspflanze und lösen in derselben das Wachstum von sogenannten Gallen aus. Letztere sind Tumoren ähnlich, sie wuchern und sind Empfänger eines umgeleiteten Stoffwechselwegs. "Die Gallen sitzen auf den Blättern und sammeln dort Zucker an, den der Pilz verbraucht", erklärt Djamei. "Der Zucker sollte in den Maiskolben wandern. Das ist so, als würde sich ein Spion ins Feindesland einschleichen und dort die Wirtschaftspläne verändern." Auch diese Story kam groß raus, diesmal in Nature (Bd. 478, S. 395).

Aus landwirtschaftlicher Sicht ist die Pilzinfektion kein großes Problem, sie ist mit Herbiziden leicht in den Griff zu bekommen. In Mexiko gelten die essbaren Gallen gar als Delikatesse, "Maistrüffel" heißen sie dort. Interessant daran ist etwas anderes: Der Stoffwechsel von Pflanzen kann offenbar leicht für neuartige Zwecke umgestaltet werden. Wenn Parasiten dieses Manöver beherrschen, dann können Biotechnologen von Parasiten lernen. "Im Prinzip wäre es möglich, bestimmte Pflanzenteile mit Aminosäuren anzureichern. Beispielsweise die Blätter von Kartoffeln, die normalerweise reiner Abfall sind", sagt Djamei. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Man könnte den Nährwert von Weizen und Reis verbessern und den Hunger in Entwicklungsländern bekämpfen helfen. Man könnte bisher ungenutzte Pflanzenteile durch entsprechende Stoffwechselwege zu wertvollen Rohstofflieferanten machen. Gleichwohl ist das Zukunftsmusik. Nun gilt es die Grundlagen für derlei Pläne zu schaffen.

Am Wiener Gregor-Mendel-Institut will Djamei nun seine vorangegangene Arbeit in großem Stil fortsetzen. Ausgestattet mit 1,5 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat wird er seine Versuche zum Teil von Robotern durchführen lassen und sämtliche Infektionsproteine des Pilzes unter die Lupe nehmen. Denn wirklich verstehen könne man den Vorgang nur, wenn man alles gleichzeitig betrachte.

Weder gut noch schlecht

Dass die "grüne Gentechnik" in der Bevölkerung auf Skepsis stoße, sei ihm bewusst: "Das ist zum Teil berechtigt. Firmen wie Monsanto produzieren Genmais, der nur dazu da ist, die Bauern von Pestiziden und Herbiziden abhängig zu machen. Andererseits: Die Gentechnik ist per se weder gut noch schlecht. Man muss sehr vorsichtig sein. Gezielte Manipulationen im Pflanzenerbgut können eine Chance sein. Letztlich müssen wir uns die Frage stellen: Soll Gentechnik den Menschen dienen oder einzelnen Firmen? Wir müssen die Zukunft mitgestalten." (Robert Czepel, DER STANDARD, 4.9.2013)