Für seine "Krieg der Klone"-Reihe hat John Scalzi noch keinen Hugo gewonnen - dafür nun aber für "Redshirts":

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Ausgezeichnet als bester Langfilm: "The Avengers".

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San Antonio - Zum ersten Mal seit 2009 haben die SF-Fans den Autoren ihres Genres die Gefolgschaft versagt: Zuvor hatte dreimal in Folge jeweils derselbe Roman den Nebula - gewählt von den Mitgliedern der Science Fiction and Fantasy Writers of America (SFWA) - und den Hugo Award gewonnen. Letzterer, benannt nach dem Herausgeber Hugo Gernsback, ist die prominenteste Auszeichnung für Phantastik-Literatur und zugleich ein Leserpreis. Und diese Leser gaben John Scalzis SF-Persiflage "Redshirts" den Vorzug gegenüber dem heurigen Nebula-Gewinner "2312" von Kim Stanley Robinson.

Sieg der Nebendarsteller

"Redshirts" ist eine ebenso kluge wie vergnügliche Kritik an den Plot-Schemata von Science-Fiction-Serien; nicht nur, aber insbesondere von "Star Trek". Die populärste aller TV-Serien aus dem Bereich SF ist es auch, die den Begriff "Redshirts" hervorgebracht hat. Er bezieht sich - entsprechend der Uniformfarbe - auf die niedrigrangigen Crewmitglieder (bzw. Nebendarsteller), die der Action-Handlung buchstäblich geopfert werden, während die Hauptfiguren noch der größten Gefahr auf wundersame Weise entrinnen.

In Scalzis Roman entdecken einige solcher Redshirts nicht nur ihr unverhältnismäßig hohes Sterberisiko, sie beschließen auch etwas dagegen zu unternehmen: Eine Zeitreise soll sie zum "Urknall" ihres Universums bringen - nämlich einer TV-Serie in unserer Gegenwart. Und sie kommen, um sich zu beschweren. "Redshirts", das einige Ähnlichkeiten zum Film "Galaxy Quest" aufweist, ist eine als Roman getarnte metafiktionale Betrachtung voller guter Gags und mit einem großen Herz für all die unbesungenen kleinen Helden der SF; eine ausführliche Rezension finden Sie hier.

Krieg der Klone

John Scalzi wurde bereits für seinen Blog und das auf dessen Posts basierende Buch "Your Hate Mail Will Be Graded" mit dem Hugo ausgezeichnet. Mit seinem Debüt "Old Man's War" ("Krieg der Klone") hatte es der kalifornische Autor 2005 praktisch über Nacht zu großer Popularität im Genre gebracht. Nach einigen weiteren Werken zum Universum von "Old Man's War", in dem pensionierte Soldaten mit aufgemotzten Klon-Körpern erneut in den Kampf geschickt werden, wandte er sich eher humoristischen Werken zu. Diesen Frühling setzte er die populäre Klonkrieger-Reihe mit "The Human Division" fort; im Dezember soll der Roman auch auf Deutsch erscheinen.

Dass "2312" beim Hugo leer ausgegangen ist, dürfte nicht überraschen: Das von vielen Kritikern hochgelobte Zukunftspanorama wurde von den Lesern mit eher gemischten Gefühlen aufgenommen. Ebenfalls als bester Roman nominiert waren "Blackout", der letzte Teil von Mira Grants auch auf Deutsch erschienener Zombie-Trilogie, Saladin Ahmeds Fantasy-Roman "Throne of the Crescent Moon" und der jüngste Beitrag zu Lois McMaster Bujolds Miles-Vorkosigan-Saga. Die seit den 80er Jahren laufende "Military Space Opera" der US-Autorin erschien ab den 90ern auch auf Deutsch. Der aktuelle Roman "Captain Vorpatril's Alliance" ist allerdings ebenso wie sein Vorgänger "Cryoburn" aus dem Jahr 2010 bislang nicht übersetzt worden.

Kurzformate

Die Hugo-Kür erfolgt durch Abstimmung unter den Mitgliedern der World Science Fiction Convention, heuer als "LoneStarCon" im texanischen San Antonio abgehalten. Als beste Novelle wählten die Abstimmungsberechtigten "The Emperor's Soul" von Fantasy-Autor Brandon Sanderson, der als einer der Betreiber des Podcasts "Writing Excuses" auch den Preis für das beste nicht-fiktionale Werk erhielt.

Eine bizarre Zukunftswelt im Orbit des Jupiter zeichnet "The Girl-Thing Who Went Out for Sushi" von Pat Cadigan, das als beste Novellette ausgezeichnet wurde. Den Preis für die beste Kurzgeschichte erhielt Ken Lius melancholische Erzählung "Mono no Aware" über den Start eines Generationenschiffs; erschienen in der Anthologie "The Future Is Japanese". Als bestes Comic wurde der erste Teil von Brian K. Vaughns und Fiona Staples' enorm populär gewordener Graphic Novel "Saga" ausgezeichnet, eine ausführliche Rezension folgt in der nächsten Rundschau.

Avengers schlagen Hobbit, Game of Thrones verbläst Doctor Who

Daneben gab es Preise in fast mehr Kategorien, als man aufzählen kann - vom besten Herausgeber bis zur besten Fan-Grafik (eine genaue Liste finden Sie hier). Den größten Bekanntheitsgrad bei den Nebenpreisen haben traditionell die beiden Film-Kategorien. Hier triumphierte Joss Whedons Superhelden-Film "The Avengers" unter anderem über Peter Jacksons "The Hobbit". Bei den Kurzfilmen schlug die "Game of Thrones"-Episode "Blackwater" die vermeintlich übermächtige Konkurrenz von "Doctor Who" aus dem Feld, das gleich mit drei (von insgesamt fünf) Nominierungen angetreten war.

Nominell kein Hugo, aber stets auf derselben Gala vergeben, ist der John W. Campbell Award, mit dem der beste neue Autor ausgezeichnet wird. Diese Ehrung wurde heuer der US-amerikanischen Autorin Mur Lafferty zuteil, die in erster Linie Urban Fantasy schreibt.

Sidewise Award für die besten Parallelwelten

Last but not least war der "LoneStarCon" auch die Bühne zur Verkündung eines weiteren jährlich vergebenen Preises. Mit dem Sidewise Award zeichnet eine Jury die besten Alternativweltgeschichten aus, je ein langes und ein kurzes Werk. Beide Preisträger von heuer haben - wie so viele andere Werke dieses Genres - den Zweiten Weltkrieg als Hintergrund.

US-Autor Rick Wilber greift in seiner Erzählung "Something Real" ein wenig bekanntes Kapitel der Kriegshistorie auf: Nämlich die Geschichte des Baseball-Spielers Moe Berg, der als Spion auf den Physiker Werner Heisenberg angesetzt wurde. "Dominion" heißt der Roman des schottischen Autors C. J. Sansom, der den Sidewise Award für die beste lange Erzählung erhielt. Das Szenario von "Dominion" ist nicht ganz neu; es handelt sich um einen Thriller, angesiedelt in einem Großbritannien, das mit Nazi-Deutschland Frieden geschlossen hat. Auf Deutsch sind von Sansom bislang einige Historien-Krimis erhältlich.

Nächstes Jahr in London

Im nächsten Jahr feiert die World Science Fiction Convention nicht nur ihr 75-jähriges Jubiläum, sie wird auch zum ersten Mal seit längerem wieder nach Europa zurückkehren.  Als "LonCon 3" wird die "Oscar-Gala der Science Fiction" von 14. bis 18. August in den Londoner Docklands stattfinden. (Josefson, derStandard.at, 2. 9. 2013)