Herr Graf hat sich eine Rennstrecke gebaut. Wir haben sie bereist. Ungewöhnlich schnell bereist: mit dem neuen Porsche 911 Turbo. Fantastische Zeiten sind möglich. Das ist fast ein wenig schade

Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff macht in Mineralwasser. Er besitzt außerdem ein Luxushotel, das heißt "Gräflicher Park", ja, das ist in seinem Park, er besitzt mehrere Kliniken, wo man gesünder und auch schöner werden kann, und jetzt besitzt er auch noch eine eigene Rennstrecke, die nennt sich "Bilster Berg", weil der Hügel eben so heißt.

Foto: porsche/ratering

Damit eifert der deutsche Graf ein wenig dem Earl of March nach, jenem exzen­trischen Lord, der jedes Jahr rund um seine private Rennstrecke in West Sussex, England, das Goodwood Festival of Speed steigen lässt – mit zehntausenden begeistern Fans, die dem Earl ihre Aufwartung machen.

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So weit sind wir in Bad Driburg am Teutoburger Wald in Nordrhein-Westfalen noch nicht. Wir waren die Vorhut auf der nigelnagelneuen Rennstrecke, von zehntausenden Fans keine Spur, begeistert ist die Bevölkerung auch nicht, eher sehr skeptisch, weil sie nämlich die motorsportlichen Ambitionen des Grafen fürchtet. Vor allem den Lärm und das Schnellfahren.

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Als Gäste in den umliegenden Ortschaften benahmen wir uns daher mustergültig. 50 km/h im Flüsterton. Wir wollten den Grafen und auch Porsche nicht in die Bredouille bringen. Auf der Rennstrecke aber: Sau. Rauslassen.

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Damit sind wir endlich beim Thema: Porsche 911 Turbo (und Turbo S), das sportliche Aushängeschild der Zuffenhausener, böse, schnell und giftig. Und ganz neu. Das heißt: noch stärker, noch schneller (die wichtigsten Details siehe Datenkasten).

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Beim S buchstabiert sich das so: 560 PS, 318 km/h Spitze und die null auf hundert sind tatsächlich in 3,1 Sekunden zu absolvieren. Wir haben das ausprobiert. In echt. Und dank Launch Control ist uns das auch gelungen.

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Das ist vielleicht ein Manko dieses Fahrzeugs: dass auch der durchschnittlich begabte Sonntagsfahrer nicht abgeworfen wird, dass 3,1 Sekunden möglich sind, dass tolle Rundenzeiten möglich sind, dass man nicht gleich abfliegt, wenn man tief in die Tasten greift.

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Der Instruktor auf der Rennstrecke, von Brotberuf Rennfahrer, sagte: "Das sind nicht eure Rundenzeiten. Nicht ihr seid so schnell. Das Auto ist so schnell. Und seid ihm dankbar, dass es euch lässt." Er fand es schade, dass nun auch Schnösel wie wir und erst recht die Schnösel, die dieses Auto dann kaufen würden, so schnell und gut fahren können. Weil wir könnten ja gar nicht. Aber das Auto kann.

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Das stimmt schon. Der Porsche Turbo geht ganz fürchterlich ab – und dennoch bleibt er beherrschbar. Zahnarzttauglich qua­si. Rechtsanwaltstauglich. Journalistentauglich. Wenn die sich das leisten könnten. Weil, das muss man schon dazusagen: kein Pappenstiel. Für den Turbo werden in Österreich 190.990 Euro fällig, für den Turbo S gleich einmal 228.690 Euro.

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Der erste Porsche 911 Turbo, der 1974 auf den Markt kam, war noch ein wildes, böses Tier, kaum beherrschbar, auch die Nachfolgermodelle waren giftige Gefährte, die ihre Fahrer das Fürchten lehrten.

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Der jetzige Turbo ist wahrscheinlich der beste 11er ever, spektakulär auf seine Art, zugleich aber auch brav und beherrschbar geworden, ein Auto, das auch im Alltag tadellos funktioniert und fahrbar ist: die Entdeckung der Schnelligkeit für alle. Die es sich leisten können. Wer es dann wirklich einmal ausprobieren möchte: Der Graf wartet. (Michael Völker, DER STANDARD, 30.8.2013)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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