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"Hier waren wieder Forscher am Werk, die statt wissenschaftlicher Information eine ideologische Mission verfolgten - das unter Ernährungswissenschaftlern gerne als 'wichtigste Mahlzeit des Tages' propagierte Frühstück mit neuem Gesundheitsglanz zu schmücken", meint der Ernährungsexperte Udo Pollmer.

Foto: apa/dpa/Martin Gerten

Dortmund - Ende Juli wurde im Fachmagazin "Circulation" eine Studie publiziert, wonach Menschen, die das Frühstück ausfallen lassen, ein um 27 Prozent erhöhtes Herzinfarktrisiko aufweisen. Der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und der Wirtschaftsforscher Thomas Bauer haben nun die Daten und Zahlen sowie die daraus abgeleiteten Interpretationen geprüft.

"In Wahrheit hat die hier zitierte US-Studie nur ergeben, dass ein Verzicht auf das Frühstück und ein möglicher Herzinfarkt häufiger zusammen auftreten, als man das bei Unabhängigkeit dieser Ereignisse erwarten sollte", kritisieren die drei Wissenschaftler. "Eine mögliche Kausalbeziehung - ob also das ausgefallene Frühstück tatsächlich die Ursache für das gesteigerte Infarktrisiko ist - lässt sich aber nicht herleiten."

Das Problem sei, dass "Korrelationen zu Kausalitäten umgedeutet und prinzipiell nichtssagende statistische Zusammenhänge als Ursache-Wirkungs-Beweis dargestellt werden", sagt Udo Pollmer, wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Das heißt, es kann keine seriöse Aussage darüber getroffen werden, ob das Nichtfrühstücken für das erhöhte Herzinfarktrisiko ursächlich verantwortlich ist oder typische, aber nicht erfasste Ursachen wie Schichtarbeit oder Stress.

Gesamtsterblichkeit nicht angegeben

Besonders auffällig war der postulierte Zusammenhang in der Gruppe lediger Männer mittleren Alters. "Vielleicht erleiden diese aber auch deshalb überproportional häufig einen Herzinfarkt, weil sie privat und beruflich mehr Stress ausgesetzt sind und deshalb auch öfter das Frühstück ausfallen lassen als ältere Männer, bei denen der Zusammenhang nicht festgestellt werden konnte", so die Wissenschaftler.

Diese Problematik hänge laut Meinung der Experten vor allem damit zusammen, dass Ernährungsstudien nicht wie klinische Experimentalstudien mit Versuchs- und Kontrollgruppe umgesetzt werden können. "So kann man auch mit den in der Studie verwendeten Methoden nicht ausschließen, dass der Zusammenhang zwischen Frühstück und Herzinfarkt auf einen Faktor zurückgeht, den man bei dieser Untersuchung nicht beachtet hatte", erklärt Statistiker Krämer.

Außerdem fehlt in der Studie das aussagekräftigste Kriterium - die Gesamtsterblichkeit. "Es ist nicht einmal ersichtlich, ob die Teilnehmer mit Frühstück länger gelebt haben oder die ohne morgendliches Frühstück", betont Pollmer. Weiters bezweifelt der Ernährungswissenschaftler, dass sich die Ergebnisse generalisieren lassen, da in der Untersuchung ausschließlich Personen aus Gesundheitsberufen inkludiert waren. (red, derStandard.at, 28.8.2013)