Christina Dirnwöber will eine "offene Kirche für alle, die Gott suchen".

Foto: Andy Urban

Wien/Innsbruck - Ungläubige könnten behaupten, Christina Dirnwöbers Eintritt in die Ordensgemeinschaft Don Boscos wurde vom Zufall bestimmt: An einem Silvesterabend, den sie mit den Schwestern verbrachte, wurde ein Set Engelkarten auf dem Boden ausgebreitet und jeder aufgefordert, eine Karte zu ziehen. "Ich dachte mir im Stillen, wenn ich nun genau den Engel der Gemeinschaft ziehe, trete ich in den Orden ein", erzählt Dirnwöber. "Und just, so geschah es dann auch."

Bis der Tod sie scheidet

Dieses Jahr im August, fast zehn Jahre später, hat Schwester Christina nun in Stams in Tirol die ewige Profess abgelegt - also versprochen, bis zu ihrem Tod als Ordensfrau zu leben. Damit ist die 33-Jährige eine der wenigen jungen Frauen, die diesen Weg noch einschlagen. Von 4119 Ordensfrauen in Österreich sind gerade einmal 152 unter vierzig Jahre alt. Im Jahr 1970 gab es 214, vergangenes Jahr 39 Neueintritte. Was sich viele schon dachten, belegt also auch die Statistik: Die katholische Kirche hat ein massives Nachwuchsproblem.

Wenn in der Organisation "Ordensgemeinschaften Österreich" etwa von "jüngeren Ordensfrauen" gesprochen wird, sind alle weiblichen Mitglieder unter 65 Jahren gemeint. "Natürlich ist es schade, dass immer weniger junge Mensch ihren Glauben öffentlich leben wollen. Zentral ist aber der Blickwinkel. Denn Orden erhalten sich nicht um ihrer selbst Willen, sondern erfüllen eine bestimmte Aufgabe in der Gesellschaft - der Orden ist für die Menschen da und nicht die Menschen für den Orden", sagt die Sprecherin der Ordensgemeinschaften, Monika Slouk.

Aktiv in den sozialen Medien

Christina Dirnwöbers Antrieb, Don-Bosco-Schwester zu werden, war jedenfalls altruistischer Natur. Sie wollte helfen. Heute arbeitet die ausgebildete Kindergartenpädagogin im Kindergarten der Don-Bosco-Niederlassung in Baumkirchen, einer Gemeinde im Bezirk Innsbruck Land.

Sie hält ihr Leben dort für wesentlich moderner, als viele denken: "Das Ordensleben ist heute offener und mehr an den Bedürfnissen der Menschen orientiert als früher", sagt Dirnwöber. In ihrem Haus - der Begriff Kloster wird im Don-Bosco-Orden nicht verwendet - gebe es Internet, Fernsehen, Handys, manche Schwestern seien sogar auf Facebook aktiv. "Eben wie in jeder normalen Familie."

Kurz aufgekeimter Kinderwunsch

Überhaupt verwendet Dirnwöber, wenn sie über ihren Werdegang spricht, häufig Begriffe aus dem Leben einer klassischen Familiengründung: Ihr erstes Gelübde sei "wie eine Verlobung, im Herzen schon genauso verbindlich wie die Hochzeit", ein Austritt aus dem Orden "wäre etwa wie eine eheliche Scheidung". Kinderwunsch sei bei ihr dennoch nur kurz aufgekeimt, als ihre Schwester schwanger wurde. Doch das sei dann schnell wieder vergangen.

Der fehlende Ordensnachwuchs verlangt auch klosterintern einen Wandlungsprozess, die älteren Bewohnerinnen müssen versorgt werden. "Frauenorden sind mit dem demografischen Umbruch, der die Gesamtgesellschaft in abgeschwächter Form ereilt, bereits jetzt konfrontiert", sagt Slouk. Immer häufiger müssten Hilfskräfte eingestellt werden. "Nicht nur, weil die Versorgung nicht mehr sichergestellt werden kann, sondern auch, weil sich das Selbstverständnis der jungen Schwestern verändert hat. Sie sind selbstbewusste Frauen, keine Dienerinnen in der Küche oder Pflege", sagt Schwester Christine Rod, Leiterin im Bereich Ordensentwicklung des Kardinal-König-Hauses.

Wunsch nach "offener Kirche"

Ob es auch an einem nicht zeitgemäßen kirchlichen Rollenbild liegen könnte, das junge Frauen abschreckt? "Natürlich diskutieren wir diese Themen im Orden", sagt Schwester Christina Dirnwöber, will sich aber nicht konkreter äußern. Für die Zukunft wünscht sie sich eine "offene Kirche für wirklich alle, die Gott suchen". (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 24./25.8.2013)