Elektroauto geht auch so: 4,4 Sekunden auf Tempo 100, 600 Nm bei null Umdrehungen, über 400 Kilometer Reichweite. Das Tesla Model S will mehr als eine Alternative sein

Nehmen wir einen Klassiker der guten Unterhaltung, den Sprint von null auf hundert. Der war bislang Betätigungsfeld für ambitionierte Tondichter: Kreischende Kompressoren und brüllende Hemi-Blower wurden da besungen, verheißungsvoll knisterten Doppelendrohr-Auspuffbatterien.

Foto: wolf-dieter grabner http://www.theflow.cc

Nicht so beim Tesla Model S. Bis auf dezente akustische Hinweise (kurz wimmernde, vom ASR eingefangene Hinterräder, irgendwo im Heck quiekt leise ein Schweinderl) weist nichts darauf hin, dass man gerade abgeschossen wurde. In Erinnerung bleiben ein Drehmomentflash (600 Nm ab null Touren) und ein linearer Kraft­aufmarsch, der den Sprint-Job in 4,4 Sekunden erledigt.

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Derlei ist ab sofort auch in Österreich bestellbar, gekauft wird – wie bei Tesla üblich – via Internet. Verfügbar sind zwei Batterien mit 60 kWh oder 85 kWh, wer bei Letzterer die Option "Performance" anklickt, erhält den maximalen Stromschlag: 416 PS, 210 km/h Top-Speed (abgeregelt), 480 Kilometer Reichweite.

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Kommt auf 97.140 Euro, inkludiert sind vier Jahre Garantie auf das Auto und acht auf die Batterie. Geht die kaputt, wird das gesamte Paket ausgetauscht, bis Herbst steht im Süden Wiens ein Service-Center.

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Etwa 250 Kunden sollen im ersten vollen Geschäftsjahr von ei­ner Idee elektrisiert werden, die nichts Milderes als ein Tiefschlag für die etablierten Auto-Multis ist: Ausgerechnet eine kleine, von Dotcom-Milliardär Elon Musk im kalifornischen Palo Alto gegründete Klitsche holte die Idee des E-Autos zurück auf die Landkarte. Das war vor zehn Jahren. Heute verkauft sich das in den USA Mitte 2012 lancierte Model S am Heimmarkt besser als die jeweiligen europäischen und japanischen Oberklassetypen. Welch Schmach.

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Strafverschärfend kommt hinzu, dass Tesla ein richtig gutes Auto ausgekommen ist. Dank optimaler Gewichtsverteilung und niedrigen Schwerpunkts (das Batteriepaket steckt im Fahrzeugboden) bäumt sich der luftgefederte Aufbau auch in zackigen Kurven nicht auf. Etwas synthetisch werkt die Lenkung, dafür verlässlich und ohne ABS-Gezeter die Bremsanlage. Finger weg vom ESP-Off-Knopf: Ein falscher Zucker am Strompedal – und 2,1 Tonnen Auto drehen sich schneller ein als man "Öha" sagen kann.

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Abseits der vitalen Werte ist das Model S ein stimmiges, in sich ruhendes Automobil. Der Auftritt reiht sich nahtlos in die Liga der Limousinen mit Coupé-Silhouette ein. Vorn grüßt leise Aston Martin, hinten deutlich Jaguar.

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Der Arbeitsplatz setzt auf Komfort mit sportlicher Note. Materialien und Verarbeitung sind okay, auf Audi-Niveau fehlt aber doch ein Stück. Druck- und Drehknöpfe wurden quasi abgeschafft, der Blinker-Scheibenwischer-Hebel stammt unverkennbar von Tesla-Aktionär Daimler.

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Ansonsten werden alle Aufträge über einen 17-Zoll-Touchscreen abgearbeitet. Die Oberfläche lässt sich individuell belegen, Eilfunktionen (Klima, Radio) bleiben im Vordergrund.

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Bloß die Buttons für Nebelscheinwerfer und -schlussleuchte sind im Menü etwas versteckt. Der Tesla ist übrigens eine Art fahrendes Smartphone: Der Wagen ist immer online, System-Updates werden automatisch eingespielt.

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Erstaunlich sp­arsam geht der Tesla mit Infos zum Strommanagement um: Im Fahrerdisplay gibt ein Diagramm Auskunft über maximale und aktuelle Reichweite, eine  Anzeige informiert über verbrauchte und per Rekuperation gewonnene Energie. Keine aus den Armaturen sprießenden virtuellen Blätter, keine belehrenden Einsparbotschaften – das zeugt von Selbstbewusstsein.

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In Reihe zwei wartet üppig Fußraum, dafür drückt die abfallende Dachlinie auf den Scheitel. Laderaum ist reichlich vorhanden. Im Heck warten 745 Liter oder zwei optionale ausklappbare Kindersitze, unter der vorderen Ex-Motorhaube finden zwei Reisetaschen Platz.

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Die müssen nicht mit Proviant befüllt werden, um im Falle ausgelutschter Batterien eine Notversorgung zu sichern. Der Tesla S ist ein probates Mittel gegen die sogenannte Reichweitenangst. Zwar ist die Werksangabe von 480 Kilometern optimistisch, nach zwei Tagen Testbetrieb blieb dennoch Saft für 150 Kilometer in den Akkus.

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Noch immer nicht famos sind die Ladezeiten: 50 Kilometer nach einer Stunde an der Starkstrombuchse, 20 Kilometer an der Haushaltssteckdose. Dafür hinterlässt der Riegel, so er hierzulande geladen wird, einen zierlichen ökologischen Fußabdruck.

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Bei einem CO2-Wert von 197 Gramm pro Kilowattstunde, der für den heimischen Strom-Mix ausgewiesen wird, verzeichnete unser Model S bei einem Testverbrauch von 38 kWh einen CO2-Ausstoß von 75 g/km, ein Wert, der auf dem Niveau eines VW Eco Up liegt. In Deutschland oder China jedoch sieht die CO2-Bilanz aufgrund des hohen Kohlekraftwerkanteils klar unfreundlicher aus. 

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Ergo gilt: die allein und alle glücklich machende "Zero-Emission"-Lösung ist das Model S nicht. Mehr als bloß eine Alternative ist dieser Stromer mit seinen vielseitigen Talenten dennoch  – und vor allem: er ist das Ende aller Ausreden. (Stefan Schlögl, DER STANDARD, 23.8.2013)

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Tesla Motors

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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