Wien - Die Forderung nach Kastration von allen Muslimen, Aufrufe zur Ermordung ganzer Völker (DER STANDARD verzichtet auf wörtliche Zitate) und jede Menge "Anregungen", wie man Baugründe für künftige Moscheen entweihen könnte: Das sind Postings, von denen Screenshots am Mittwoch an die Staatsanwaltschaft Wien geschickt wurden. Sie stammen von der geschlossenen Facebook-Gruppe "Wir stehen zur FPÖ!", die seit 18. Mai existiert.

Mitglieder der Facebook-Seite "Heimat ohne Hass" (HoH), die seit neun Monaten rechtsradikale Seiten im Internet beobachten, hatten es geschafft, sich in die Seite mit falschen Profilen einladen zu lassen, und sammelten wochenlang Material. In der Gruppe schienen auch FPÖ-Funktionäre und FPÖ-Mandatare aus dem EU-Parlament, aus diversen Landtagen und dem Nationalrat auf. HoH-Sprecher Manfred Walter  sagt dem STANDARD: "Es war grausam, was wir da zu lesen bekommen haben, dabei haben die schon auf der offenen Seite recht radikale Dinge geschrieben." Vor der Gruppe "Wir stehen zu FPÖ!" gab es nämlich jahrelang eine offene, fast gleichnamige Seite auf Facebook, die sich nur durch zwei Rufzeichen mehr unterschied.

Auf dieser hatten sich linke und rechte Poster öffentlich gestritten, bis die Seite ihre Fans diskret in das neue, nicht mehr öffentliche Forum einlud, wo man unter sich sei. Diese wurden in einer Nachricht, die dem STANDARD ebenso wie Screenshots vorliegt, gebeten, nicht mehr "eigenmächtig" neue Freunde einzuladen, um vor "etwaigen Spionen" sicher zu sein und "um nicht in ein schiefes Licht zu geraten oder in Linken Gruppen, bzw. in den Medien aufzuscheinen (sic)".

Keine Hass-Postings durch FPÖ-Mandatare

Zwar seien FPÖ-Mandatare nicht selbst durch Hass-Postings aufgefallen, aber sie hätten die Gruppe auch nicht verlassen, kritisiert Walter. Bis Dienstag: Denn als erste Journalistenanfragen bei Mitgliedern einlangten, dezimierte sich die Gruppe von fast 150 Mitgliedern innerhalb von Stunden auf die Hälfte.

Gudenus war Mitglied

Auch der stellvertretende FPÖ-Bundesparteiobmann Johann Gudenus schien in der Gruppe als Mitglied auf. "Weder ist mir die Seite bekannt, noch die Postings, weil ich mir prinzipiell die ganzen schwindligen Seiten nicht anschaue", sagt Gudenus dem STANDARD. Nachsatz: "Wenn es irgendwelche hetzerischen Aussagen gibt, distanziere ich mich davon." Vom EU-Abgeordneten Franz Obermayr gab es bis zu Redaktionsschluss keine Stellungnahme. Der Grazer FPÖ-Sicherheitsstadtrat Mario Eustacchio war auch noch am Mittwoch Mitglied der Gruppe. Damit konfrontiert zeigte er sich überrascht, denn der Gruppentitel "war für mich unverfänglich". Ob er nun austrete, müsse er sich noch anschauen.

Der Datenforensiker Uwe Sailer, im Brotberuf Polizist, zeigte die Administratoren der Gruppe am Mittwoch wegen Verhetzung, Herabwürdigung religiöser Lehren, Nötigung, gefährlicher Drohung und der Bildungen einer kriminellen Vereinigung an. Er ist überzeugt: "Keiner kann unwissentlich so einer Gruppe beitreten."

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl weist die Vorwürfe, die auch in einem am Donnerstag erscheinenden "News"-Artikel erhoben werden, in einer Presseaussendung zurück. Diese würden "ins Leere laufen". Die Gruppe sei keine offizielle FPÖ-Seite, sondern eine Privatinitiative. "Es ist nicht auszuschließen, dass Kreise im Umfeld der angeblichen Aufdecker ihrer eigenen Geschichte etwas nachgeholfen hätten", sagt Kickl. Zudem seien keine der FPÖ-Mitglieder, die von den Medien angegriffen werden, der Gruppe aktiv beigetreten oder hätten sich an der Diskussion beteiligt. "Unterm Strich bleibt eine künstliche Aufregung."

SPÖ und ÖVP fordern Stellungnahme von Strache

Die SPÖ fordert in einer Reaktion am Mittwoch, dass sich FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache von der Gruppe distanziert.  Er solle "die rechten Hetzer ihrer Ämter entheben", sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. Von der ÖVP verlangt er, eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen nach der Nationalratswahl auszuschließen. Zudem sei unklar, wer die verhetzenden Einträge geschrieben habe.

Auch ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch fordert die FPÖ-Spitze auf, Stellung zu beziehen. Die Aussagen in der Gruppe seien beschämend. Die ÖVP verurteile "derartiges Gedankengut und Religionsfeindlichkeit sowie diese abscheuliche Verhetzung zutiefst". Es mache "fassungslos, Religionen und damit Gläubige auf derart brutale Weise herabzuwürdigen. Zumal hier Menschenrechte verletzt werden."

FPÖ-Funktionäre und Abgeordnete "treffen sich in einer geheimen Facebook-Gruppe, um sich dort mit Hetz- und Hassbotschaften aufzumunitionieren und predigen dann öffentlich Nächstenliebe", kritisierte der Grüne Karl Öllinger. "Das ist Wählertäuschung pur." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 21.8.2013)