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Griechenland soll mit einem weiteren Hilfspaket geholfen werden.

Foto: dpa/Gambarini

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat am Dienstag vermeintlich die Katze aus dem Sack gelassen. Griechenland werde ein drittes Hilfspaket brauchen, so Schäuble. Es gehe aber um deutlich weniger Geld als bisher. "Schäuble redet aber nur von dem Loch, das kurzfristig da ist", sagt Jonathan Loynes vom Londoner Institut Capital Economics im Gespräch mit derStandard.at. "Das zweite Hilfspaket deckt nicht alles ab. Darum geht es jetzt". Nach Berichten der Süddeutschen Zeitung wird in deutschen Regierungskreisen darüber diskutiert, das Geld aus dem Haushalt der EU oder Partnerländern heranzuziehen.

Dass Griechenland aber keinen weiteren Schuldenschnitt braucht, so wie es führende EU-Politiker und auch Schäuble behaupten, hält Loynes für sehr unrealistisch. "Ohne wird es nicht gehen. Griechenland müsste drastisch weiter kürzen und das Wirtschaftswachstum viel höher sein als üblich", so Loynes. Beides sei unrealistisch. Die Kürzungen würden auf politische und ökonomische Grenzen stoßen. Damit Griechenland innerhalb von 20 Jahren auf einen Schuldenstand von 90 Prozent kommt (derzeit 183,7 Prozent), müsste es jährlich um 5,4 Prozent wachsen, rechnet Loynes vor. Im Schnitt sei Griechenland seit dem Jahr 1999 aber nur um 1,1 Prozent jährlich gewachsen.  

Griechenland ist nicht alleine

Diese Rechnung hat Loynes auch für die anderen Krisenländer angestellt. Spanien bräuchte ein jährliches Wachstum von 6,5 Prozent, für Irland wären 7,5 Prozent notwendig. "In diesen beiden Ländern schaut die Situation aber besser aus", sagt Loynes. Die Wachstumsraten seien zwar nicht realistisch, die wirtschaftliche Situation ist aber nicht gar so düster. "Beide Länder haben Strukturen, auf die man aufbauen kann. Sie haben auch in der Vergangenheit gezeigt, dass sie schneller wachsen können als der Rest", zeigt sich Loynes vorsichtig optimistisch.

Bei Portugal schätzt der Ökonom die Chancen eines Schuldenschnitts aber höher ein. "Die Schuldenquote ist hoch, sie liegt bei 143 Prozent. Das Wachstum war in Portugal nie wirklich hoch". Die Schulden mit diesen Mini-Wachstum abzubauen, sei nicht sehr wahrscheinlich. In seiner Rechnung kommt Portugal auf ein notwendiges Wachstum von 6 Prozent pro Jahr. Für Italien ist Loynes optimistischer, aber auch hier sei ein Schuldenschnitt nicht auszuschließen. "Italiens Wirtschaft hat in den letzten Jahren einfach gezeigt, dass das Potenzial sehr gering ist."

Politik versus Mathematik

Der Analyst zeichnet insgesamt ein düsteres Bild. Dabei ist die Eurozone zwischen April und Juni endlich wieder gewachsen. "Das Wachstum kommt aber hauptsächlich von den Ländern, die besser dastehen. Die meisten Krisenländer sind weiter geschrumpft", so Loynes. Dennoch hat er auch für Griechenland & Co gute Nachrichten. "Führende Indikatoren weisen darauf hin, dass auch sie bald wieder wachsen werden". Die Wachstumsraten seien aber viel zu gering, um an ein Ende der Krise denken zu können.

Mit der Arbeit von Loynes zeigt sich in der Krise die Mathematik als größter Feind der Politik. Freilich, Rechnungen sind Rechnungen. Treffen die Annahmen nicht ein, stimmt auch das Ergebnis nicht. Die Inflation kann höher sein, Loynes rechnet mit zwei Prozent pro Jahr. Eine höhere Inflation würde den Schuldnerländern helfen. Den Ländern könne es auch gelingen, in Zukunft viel stärker zu wachsen als gewohnt. Rein die Wahrscheinlichkeit sei nicht sehr hoch, sagt Loynes. (Andreas Sator, derStandard.at, 21.8.2013)