Die Jagdspinne Cupiennius salei erreicht teilweise enorme Geschwindigkeiten. Bewegungsanalysen zeigten: Die Spinne kann bei hohen Geschwindigkeiten Körperschwingungen weitgehend vermeiden.

Foto: Tom Weihmann/FSU

Die Jagdspinne Cupiennius salei liegt tagsüber regungslos im Dickicht des zentralamerikanischen Dschungels. Doch nach Einbruch der Dunkelheit zeigt sie, dass sie auch anders kann: Sobald sich ein geeignetes Beutetier - in der Regel Insekten - nähert, spurtet die Spinne mit extrem hoher Geschwindigkeit los.

"Über kurze Distanzen erreichen diese Spinnen Laufgeschwindigkeiten von bis zu 20 Körperlängen pro Sekunde", sagt Tom Weihmann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. So legt die etwa handtellergroße Spinne in einer Sekunde bis zu 70 Zentimeter zurück. Der Bewegungsphysiologe hat in einer aktuellen Studie untersucht, was die Jagdspinne und ihre Verwandten zu solch pfeilschnellen Sprintern macht.

Zum Vergleich: Wollte ein Mensch von 1,80 Meter das Tempo der Jagdspinne erreichen, so müsste er in einer Sekunde 36 Meter zurücklegen – Sprint-Star Usain Bolt schaffte bei seinem Weltrekord über 100 Meter aber gerade einmal 12,5 Meter pro Sekunde. "Bisher wurde angenommen, dass derartig schnelle Bewegungen immer mit der Nutzung elastischer Eigenschaften des Skelettsystems einhergehen, wie es etwa bei Geparden, Hasen oder auch beim Menschen der Fall ist", erklärt Weihmann.

Es läuft sich auch gut ohne Elastizität

Bei den meisten schnellen Läufern werden Sehnen und Bänder gedehnt, wenn die Beine am Boden sind und das Körpergewicht auf sie einwirkt. Kurz bevor die Beine den Bodenkontakt verlieren und nach vorn geschwungen werden, wird die gespeicherte Feder-Energie dann wieder für den Vortrieb genutzt. Anders als Säugetiere und schnell laufende Insekten besitzen Spinnen keine elastischen Elemente in ihren Beinen. "Wenn sie dennoch die typischen Auf-und-Ab-Bewegungen zeigen würden, die jeder Jogger kennt, dann wäre das energetisch sehr unvorteilhaft."

Wie der Jenaer Biologe nun in seiner Studie erstmals zeigen konnte, reagieren die Tiere auf dieses Dilemma, indem sie bei hohen Geschwindigkeiten Körperschwingungen so weit wie möglich vermeiden und ihren Schwerpunkt immer auf einer Höhe halten. "Das hat auch den nützlichen Nebeneffekt, dass Beute und Räuber die Spinnen nicht so gut orten können, da diese kaum Schwingungen auf den Untergrund übertragen, die sonst verräterisch wären." Denn die Spinne kann auch selbst zur Gejagten werden, wenn ein Vogel oder Säuger dem proteinreichen Happen nachstellt.

Vorlage für schnelle Roboter

Für Weihmann sind seine Untersuchungen an den Jagdspinnen biomechanische Grundlagenforschung. Dennoch lassen sich die aktuellen Erkenntnisse auf praktische Anwendungen übertragen. So nutzen die Entwickler von Laufrobotern bisher vor allem elastische Lösungen. "Doch Elastizität ist stets mit einer Erhöhung der Unsicherheit bei der Ansteuerung einzelner Gliedmaßen verbunden, was für technische Anwendungen problematisch sein kann", meint Weihmann. Daher sei die energieeffiziente Fortbewegung der Spinnen eine gute Alternative, die solche Unsicherheiten vermeidet, und ein geeignetes Vorbild für schnelle Laufroboter. (red, derStandard.at, 20.8.2013)