Bilder zur letzten Reiseetappe gibt es in einer Ansichtssache.

Foto: Victoria Lainer

Dass Sambia ein friedliches Land ist, erzählen uns alle Leute, die wir hier kennenlernen, voller Stolz und Dankbarkeit. Wenn man auf die Nachbarländer wie die Demokratische Republik Kongo schaut, wird verständlich, dass Frieden etwas sehr Besonderes ist. Von Lilongwe in Malawi fahren wir mit dem Bus in die Hauptstadt Sambias, Lusaka. Viel hält uns allerdings nicht in Lusaka, und so brechen wir bald auf in Richtung Süden mit den traumhaften Zielen Livingstone und Victoria-Fälle.

Improvisierte Ambulanz

Auf dem Weg werden wir Augenzeugen eines Unglücks. Nach gut einer Stunde Fahrt in dem für sambische Verhältnisse sehr guten Reisebus heißt es sofort halten und mit anpacken. Der Fahrer eines Minibusses vor uns verlor die Kontrolle über sein Gefährt, als ein Reifen platzte, und der Minibus überschlug sich mehrmals. Auf der Straße lagen schwer verletzte Mitfahrer, ihre Habseligkeiten überall verteilt.

Ich stehe geschockt am Unfallsort, ehe ich den Mitarbeitern des Reisebusses und einer israelischen Passagierin, die ausgebildete Sanitäterin ist, helfen kann. Die Schwerverletzten werden auf einen Pickup geladen und mit Jacken als Kissen ausgestattet. Dann fahren sie zusammen mit der Israelin ins 20 Minuten entfernte Krankenhaus. Durch dieses Erlebnis, das wir erst mal verdauen müssen, wächst meine bereits sehr hohe Wertschätzung für unseren organisierten und immer einsatzbereiten Rettungsdienst. Ebenso wächst meine Wertschätzung gegenüber den Leuten vor Ort, die im Notfall alle mit anpacken. Der Pickup-Fahrer zum Beispiel hatte bestimmt andere Pläne, als auf seiner Fahrt auch Krankenwagen zu spielen, ebenso alle anderen Helfer. Wir erreichen Livingstone in einem Wechselbad der Gefühle und fahren erst am nächsten Tag zu den Victoria-Fällen.

Ein rauschender Traum

Es rauscht und nieselt. Unmengen an Wasser stürzen 108 Meter in die Tiefe, durch die Sonnenstrahlen entstehen überall kleine Regenbögen. Die gesamte "Erscheinung" der Victoria-Fälle löst in mir ein Gefühl von höchster Freude und Zufriedenheit aus. Was soll man zuerst machen? In die Luft springen oder einfach nur staunen vor diesem atemberaubenden Wunder der Natur! Wir haben Glück und sind gerade zur Vollmondzeit dort. Deshalb fahren wir am Abend noch einmal zu den Fällen und werden Zeugen eines einzigartigen Naturspektakels: Durch den Schein des aufgehenden Mondes entsteht vor den Victoria-Fällen ein Regenbogen!

Die andere Seite

Wir fahren weiter nach Simbabwe und besuchen von dort noch einmal die Victoria-Fälle, da man hier einen besseren Überblick über dieses Naturschauspiel hat. Unsere Jause müssen wir vor den frechen und teilweise aggressiven Affen beschützen. Nach einer Weile verzieht sich die Bande aber, und wir können die Jause und den phänomenalen Ausblick genießen! 

In Victoria Falls werden wir beim Einkaufen mehrfach gebeten, doch noch ein Brötchen o. ä. dazuzunehmen, um auf eine runde Summe zu kommen. Durch den Umstieg auf den US-Dollar 2009 hat man die Hyperinflation relativ gut in den Griff bekommen, jedoch gibt es keine US-Cent und nur sehr wenige südafrikanische Rand-Münzen, wodurch besonders das alltägliche Leben der Menschen sehr teuer wird. Auch sonst ist ersichtlich, wie die inzwischen lang andauernde Krise auf den Menschen lastet. Zwar sind die Regale in den Supermärkten wieder gefüllt, aber es dauert manchmal auch Tage, bis wir endlich wieder einen Bankomat mit Geld vorfinden. Viele Geschäfte und Banken sind geschlossen, andere Fachgeschäfte sind zu Gemischtwarenhändler mutiert, um die mögliche Kundschaft zu vergrößern.

In Victoria Falls erfüllt sich nun endlich mein großer Wunsch, auf der Reise auch eine Strecke mit dem Zug zu fahren. Wir bummeln mit dem Zug über Nacht, mit mehreren Stunden Verspätung, nach Bulowayo.

Enttäuschte Hoffnung auf Veränderung

Lily, die Besitzerin unserer Unterkunft, wohnt seit Jahren in ihrer Garage, um die Zimmer im Haus an Gäste vermieten zu können. Seit die Touristen ausbleiben und die Mietpreise horrend stiegen, sind auch ihre erwachsenen Töchter samt Familien wieder eingezogen. Bei einem Abendessen erzählte sie uns von ihrem persönlichen Schicksal während der besonders harten Jahre 2000–2008, und bei den Erinnerungen kommen ihr die Tränen.

Wir sind sehr berührt und hegen den größten Respekt vor dieser Dame, als Beispiel für alle Eltern, aber vor allem für alle Mütter, die alles nur Erdenkliche unternehmen, um ihre Kinder durchzubekommen. Politische Äußerungen werden nur im Flüsterton getätigt, man weiß ja nie, ob der Nachbar nicht vielleicht ein Spitzel ist, denn freie Meinungsäußerung ist in Simbabwe unerwünscht. Die Hoffnung auf Veränderung durch die Präsidentschaftswahlen wurde leider durch den Ausgang der Wahlen zerschmettert.

Wiege der Menschheit und Weiterfahrt nach Johannesburg

Wir hatten aber auch die Möglichkeit, die andere Seite Simbabwes kennenzulernen. Seine freundlichen und hilfsbereiten Einwohner, die Schönheit der vielseitigen Landschaft und Tierwelt und das Stück Menschheitsgeschichte, das durch die Höhlenmalereien der Sans und die Ruinen in Great Zimbabwe dokumentiert ist. Im Bus geht es weiter nach Johannesburg. Am einzigen direkten Grenzübergang nach Südafrika, Beitbridge, lassen die südafrikanischen Beamten mit komplizierten und langwierigen Grenzverfahren und gelegentlichem Rumbrüllen ihre Muskeln spielen. Die hohen Stacheldrähte und die äußere Erscheinung des Grenzübergangs tun ihr Übriges. In Johannesburg verbringen wir die restlichen Tage unserer Reise, lernen die unterschiedlichen Stadtteile dieser pulsierenden Stadt kennen und bekommen einen Einblick in die Zeit der Apartheid in Südafrika, vor allem durch das Apartheidmuseum, das die Geschichte sehr ausführlich und anschaulich darstellt.

Dankbar und voll bepackt mit unzähligen Eindrücken und Erfahrungen besteigen wir nach diesen vier Monaten den Flieger mit dem Wunsch, eines Tages wieder zurückzukommen. Aber erst einmal heißt es "Karibu Europa" und wieder eingewöhnen in der im Grunde altbekannten Welt zu Hause. (Victoria Lainer, derStandard.at, 20.8.2013)