Rondo-Autorin und Modebloggerin Anne Feldkamp schreibt über Modephänomene, die uns im Alltag begegnen.

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Sängerin Shakira trägt auch auf dem Roten Teppich Jeans in Fetzen.

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Boulevard-Leserinnen und -Leser sind uns mal wieder einen entscheidenden Schritt voraus. Die wissen nämlich schon längst: Hosen, in Fetzen getragen, die müssen jetzt sein. In den bunten Blättern umflattert das Jeansgerippe die Beine der Stars schließlich nicht erst seit gestern. Locker kombiniert mit Flipflops, dem Heißgetränk im Einwegbecher oder einem Kleinkind, raunt es uns zu: Hollywood ist auch nur eine Fußgängerzone. Und was für eine! Lässigkeit zur Schau zu tragen war ja schon immer ganz großes Kino. Seine Gefährlichkeit hat das zerlöcherte Stück Denim aber längst eingebüßt: Mit so einem Fetzen bringt man die Mütter von heute nicht mehr auf die Palme.

Statt dem Nachwuchs ein "Zieh dir erst mal was Ordentliches an" entgegenzuschleudern, kommt den modischen Mamas wahrscheinlich erst mal Heidi Klum in den Sinn: Die trägt ihre zerschlissenen Jeans sicher mindestens genauso ausdauernd wie ein Kurt Cobain vor mehr als zwanzig Jahren. Und? Hat es auch zu einer Art Stilvorbild gebracht. Der Subtext mag ein anderer sein, aber was solls, die große Wurschtigkeit hat uns sowieso im Griff.

Seelenlose Serienfertigung!

Als aufgeklärte Konsumenten kennen wir die bittere Wahrheit um die Risse in der Jeans sowieso schon lange: Alles seelenlose Serienfertigung! Der Jeansstoff, der aussieht, als sei er über Jahre hinweg zum edlen Fetzen getragen worden, ist nämlich eine große Illusion. Sonst säßen die Löcher ganz woanders. Zum Beispiel da, wo die Oberschenkel unschön aneinander reiben. Weil so was aber niemand sehen will, sieht das Lochmuster aus, als habe man fünf Fahrradunfälle hingelegt. Das ist natürlich Unsinn, all die abenteuerlichen Lochmuster lasert heute ein Computerprogramm. Meist sollen dabei die Knie frei liegen, das Gelöcher wird im freien Fall nach Belieben verlängert. Unter den lichten Baumwollsträhnen soll schließlich bei Temperaturen wie diesen der gebräunte Oberschenkel sexy hervorblitzen.

Man könnte also meinen, die Jeanshose eigenhändig zu zerreißen, sei von gestern. Ist dann aber doch nicht so. In den Internet-Foren so mancher Mädchenzeitschrift wird diskutiert, ob Drahtbürste, Schleifpapier oder Käsereibe das schönste, will heißen zufälligste Lochergebnis zutage fördert. Da mag man fast nicht glauben: Was gerade Trend ist, ist noch längst nicht überall angekommen. In Wien schreiben die Dominikanerinnen in der Hausordnung ihrer Fachschule für wirtschaftliche Berufe, dass "zerrissene Jeans, Hotpants und Trainingshosen außerhalb des Turnunterrichts" nicht erwünscht seien. Eine Heidi Klum müsste sich hier erst einmal was Ordentliches anziehen. (Anne Feldkamp, derStandard.at, 20.8.2013)

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