"Journalistenreport IV - Medienmanagement in Österreich", herausgegeben von Andy Kaltenbrunner, Matthias Karmasin, Daniela Kraus.

Foto: derStandard.at

Wien - Österreichs rund 800 Medienmanager hat das Medienhaus Wien für den vierten Band seines "Journalisten-Report" (Facultas Verlag) untersucht und 131 repräsentativ Ausgewählte zwischen Mai und Juni 2012 befragt. Etwa auch nach ihrer Einschätzung, welche drei Medienmarken in den nächsten Jahren wesentlich an Bedeutung gewinnen werden, ohne Marken vorzugeben.

Deutlich vorne liegen da die Medien der Standard-Gruppe mit 37 Prozent, 23 Prozentpunkte davon nannten dezidiert derStandard.at. Medienhaus Wien und Gallup/Karmasin Motivforschung haben hier bei der Auswertung Marken, Kanäle und Medienhaus zusammengefasst und dem Medienhaus zugeordnet.

Andy Kaltenbrunner, neben Matthias Karmasin und Daniela Kraus Herausgeber des Bandes: "Im digitalen Feld wird das frühe und bis heute breite Engagement des Online-Standard gewürdigt und auch vom Printprodukt und der Gesamtmarke im Qualitätssegment Bedeutungszuwachs erwartet. Bei der 'Presse' dagegen wird das Online-Engagement kaum als für die Zukunft bedeutsam wahrgenommen." Die Presse (Print und Online) liegt mit 13 Prozent auf Rang fünf der von Medienmanagern meistgenannten Medien mit steigender Bedeutung.

"Krone" unter ferner liefen

"Heute" auf Rang drei mit 22 Prozent wiederum wurde laut Kaltenbrunner "immer nur als Printausgabe genannt. Die digitalen Varianten, ob App oder Website, scheinen nicht als Formate wahrgenommen zu werden, die wesentlich an Bedeutung gewinnen könnten." Der Medienwissenschafter und -berater staunt: "Die häufige Nennung der Gratiszeitung Heute ist umso interessanter, weil gleichzeitig gerade einmal vier der befragten Managerinnen und Manager die so lange als ehernes Erfolgsmodell geltende Kronen Zeitung auf ihre Liste zukunftsweisender Medientitel gesetzt haben."

Auf Rang zwei in dieser Liste mit 29 Prozent der Medienmanager liegt der ORF und seine vielen Kanäle und Marken. ORF selbst hätten die Manager "einige Male" genannt, "einige" Ö1 höhere Bedeutung prognostiziert, andere orf.at. Erst nach Ö1 und orf.at kommen die Fernsehkanäle des ORF, beschreibt Kaltenbrunner.

Kaltenbrunner sieht in den Detaildaten zu ORF-Medien einen grundlegenden Trend unter den Managern: "An Bedeutung gewinnen werden jene, die sich entweder in einem Qualitätssegment solide positionieren können oder die Innovation und neue digitale Dimensionen mit Reichweite einbringen".

Platz vier geht an Servus TV von Red Bull und Dietrich Mateschitz. Der Sender mit zuletzt 1,6 Prozent Marktanteil wird nach Ansicht von 21 Prozent der Medienmanager wesentlich an Bedeutung zulegen.

Innovation und Befürchtung

Kaltenbrunner analyisiert in diesem Kapitel des Journalisten-Report IV Medienmanagement und Innovation – und sieht da Zentraleuropa und ganz besonders Österreich besonders gemächlich unterwegs. Insbesondere wegen hoher Konzentration, hohen öffentlichen Werbeausgaben, stabilen Abonnementsystemen von Printmedien.

Welche Entwicklungen/Innovationen halten Österreichs Medienmanager für wichtig oder sehr wichtig? Mit 85 Prozent entschieden sich die meisten da für das "Zusammenwachsen traditioneller Produktion mit neuen digitalen Kanälen".

76 Prozent nannten Mobile Content – wobei das General Management Inhalten für Handys und Tablets mit 91 Prozent weit mehr Gewicht beimisst als das Redaktionsmanagement mit 59 Prozent. Bewegtbild nannten 70 Prozent, auch hier General Management mit 75 deutlich mehr als Redaktionsmanagement mit 55 Prozent. 74 Prozent aus dem General Management sehen einen gemeinsamen Newsroom für verschiedene Kanäle für relevant oder sehr relevant – aber nur 48 Prozent im Redaktionsmanagement.

Kaltenbrunners Vermutung über diese Diskrepanz: "Es sind vor allem die Redaktionen, die solche Veränderungen zuerst tragen müssen. Dafür stehen aber selten zusätzliche Mittel zur Verfügung – im Gegenteil fürchten Journalistinnen und Journalisten häufig, dass Digitalisierungsprojekte getarnte oder auch deklarierte Rationalisierungsprojekte des General Managements im Auftrag der Eigentümer sein könnten oder eben Diktat sich leerender Kassen."

Skeptisch gegenüber Bezahlmodellen

"Wie relevant ist aus Ihrer Sicht die Entwicklung von Bezahlmodellen für journalistische Inhalte für den redaktionellen Erfolg Ihres Medienunternehmens?" fragte Gallup/Karmasin die Medienmanager im Frühjahr 2012 noch. 55 Prozent der Redaktionsmanager und nur 44 Prozent des General Managements von östereichischen Medien sahen sie als relevant oder sehr relevant.

"Leider werden auch Paywalls keine zufriedenstellende Antwort geben, da einiges gegen sie spricht", kommentiert Gerlinde Hinterleitner in dem Band. Hinterleitner baute derStandard.at auf und führte das Portal als Chefredakteurin, bis sie Mitte dieses Jahres die Leitung des neuen Standard-Unternehmensbereichs User Generated Content übernahm.

In ihrem Beitrag schreibt sie über Medienmanagement und Innovation: "Hätten die Pioniere mit dem Publizieren von Online-Medien so lange gewartet, bis sie den ausdifferenzierten Anforderungen eines traditionellen Qualitätsmediums entsprochen hätten, gäbe es sie wohl bis heute nicht. Perfektionismus kann nicht das Qualitätskriterium sein, wenn man etwas Neues ausprobiert, sondern Verständnis für die neue Technologie und die Bedürfnisse der Leser. Vielmehr wird immer deutlicher, dass Online-Medien niemals so werden dürfen wie Zeitungen: Sie bedienen einen anderen Markt, sie müssen anderen Gesetzen gehorchen und sind per se etwas Neues." (fid, derStandard.at, 18.8.2013)