Die Arbeiten von Nika Zupanc werden mit Begriffen wie "Flirt-Faktor" oder "punk elegance" in Verbindung gebracht. Hier ist sie mit Spielzeugauto "Konstantin B" zu sehen.

Foto: Ivana Kresic

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Lümmelliege "Sofa in c-minor".

Foto: Archiv von Nika Zupanc

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Leuchte namens "Runaway".

Foto: Archiv von Nika Zupanc

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Schreibtisch "Homework table".

Foto: Archiv von Nika Zupanc
Foto: http://www.nikazupanc.com

Eine Blüte ist eine Glocke ist ein Häubchen. Aber weil Nika Zupanc, die junge Designerin aus Ljubljana, ganz besondere Räume öffnet, kann die Blütenglockenhaube auch ein niedlich-naiver Lampenschirm sein. Ein feminines Objekt ist es auf jeden Fall. Eines, dessen Ränder wie Spitzensäume aussehen und wie das weiche Spiel raschelnder Bänder im leisen Luftzug halb geöffneter Türen, hinter denen, nein: nicht Frau Holle, sondern Lolita wohnt. Genau: die Kindfrau. Seit Nabokov und Orson Welles ein programmierter Auf- und Erreger. Seit Nika Zupanc gilt das auch für die Welt des Designs.

Stardesigner Marcel Wanders, der mit der Herstellung der femininen Leuchte (s. RONDO-Cover) den bislang größten Erfolg der Slowenin auf Schiene brachte, teilte diese Aufregung jedenfalls auf Anhieb. Großes Designkino der Gefühle, ein Produkt mit weiblicher Assoziation - all das passte perfekt ins Programm des niederländischen Labels, das die Ausdehnung überkommener Funktionalitätsbegriffe schon zuvor als Hightech-Häkelware zu interpretieren wusste.

Umkreisung des X-Chromosoms

Die Kindfrau und die Prinzessin aus Kent - das wären schon mal zwei Hauptrollen im personellen Formenrepertoire der Nika Zupanc. Weibliche Archetypen und eine unübersehbare Prise Frivolität, die sich im Idealfall in zeitlose Eleganz verwandelt - mit diesem Ansatz erschließt sich die Mittdreißigerin seit einigen Jahren eine ganz besondere Nische innerhalb des Möbel- und Leuchtendesigns.

Denn die Entdeckung und Umkreisung des X-Chromosoms als wesentliches Moment entwerferischen Kalküls zeichnet ja auch weitere Produkte aus, die sich in Summe als kapriziöse Annäherung an emotionale Designqualitäten verstehen - und als Auflösung einer allzu harten Utilitarismus-Kante.

Da wäre auch noch eine weibliche Romanfigur, die den Sprung vom Bücherregal in den Möbelkatalog schafft - und im Idealfall weiter in die Diskussion um Frauenbilder im gesellschaftlichen Kontext: Es ist Mrs. Dalloway, Titelheldin jenes Romans von Virginia Woolf, der inneren Monologen 1925 mehr Raum gab als die meisten Werke zuvor - und der zugleich die Schmerzhaftigkeit viktorianischer Rollenbilder sezierte.

Möbel mit eindeutigem Geschlecht

In der Vorstellung der Nika Zupanc hat sich Mrs. Dalloway in eine Herdklappe verwandelt, die einem Taschenspiegel nachempfunden wird. Stühle mit Wespentaille und Korsettschnürung wie das Moroso-Möbel "Tailored chair" oder Sofas mit Schleifenapplikationen ("Modest sofa") schlagen in eine ähnliche Kerbe. Der bereits 2007 vorgestellte und seit kurzem vom Luxuslabel Sé produzierte "Maid Chair" treibt es besonders arg: Die bekannten Umrisse einer mit Spitze verzierten Schürze französischer Zimmermädchen - erklärtes Synonym sexueller Dienstbotenausbeutung großbürgerlichen Zuschnitts - glänzen da in schwarzem Polykarbonat.

Klar, dass die gebürtige Laibacherin polarisiert. Möbel mit eindeutigem Geschlecht - das erinnert bei oberflächlicher Betrachtung zunächst an die Reduktion der Frau zum Objekt. Und outen sich Zupancs Fashion-Bezüge nicht als Comeback männlicher Designer-Fantasien der 70ies, als besitzbare Lippenpaare und Mamma-Polsterstühle dem Sexismus ein Design-Hintertürchen öffneten?

Blickt man auf die Biografie der in Ljubljana geborenen Zupanc, die ebendort 2000 an der Design-Uni graduierte, sieht plötzlich alles anders aus: Voodoo- und blutverschmierte Puppen tauchen da als erste Werke auf. Später eine Wiege aus glamourösem Hochglanz-Kunststoff - als Verweis auf das Spannungsfeld von Feminismus und Mutterschaft. Zupancs erstes, im La femme et la Maison getauften Eigenverlag vertriebenes Serienprodukt, zielt in eine ähnliche Richtung: Es handelt sich um einen Staubwedel, der allerdings wie ein Luxusgut verpackt wird. Auch lockt die Designerin Galeriebesucher selbst ins Innere eines - allerdings überdimensionierten Puppenhauses - dem Raum einer Ausstellungspräsentation.

Marina, Meer, Kirsche und Boudoir

Fingerspitzengefühl - das sieht im OEuvre der jungen Slowenin immer wie eine gefährliche Berührung aus. Aber eine, die Oberflächen ankratzen, und intime Qualitäten freilegen kann - oder zumindest könnte. "Flirt-Faktor" haben Design-Blogger das genannt, und die amerikanische Elle "punk elegance". Aber das trifft es nur mit großer Unschärfe. Denn auf Girlie-Mania lassen sich die weibliche Façon und die mitunter extremen Glossy-Farben, derer sich die Slowenin bedient, keineswegs reduzieren.

Insider bescheinigen ihr indessen eine hohe Sorgfalt bei der Auswahl ihrer Projekte und einen Masterplan, der an das kleine Einmaleins von Spin-Doktoren erinnert. Das verrät ja auch der Blick auf die Zupanc-Begriffswolke, die sich nun wie ein Adria-Hoch über die Designwelt schiebt und der man am liebsten an den weichen Wortwolkenbauch greifen möchte. Begriffe wie Marina und Meer zerfließen darin - oder Kirsche, Boudoir, Rosenstrauch, Sommer, Anker.

In Summe ein verführerisches Bukett, das auch jenes Element aufweist, das großer Design-Emotion die letzte Würze gibt. "Ich möchte Schönheit in die Welt des Designs bringen, aber auch ein bisschen Schmerz", sagt Frau Zupanc über ihre Arbeit. We love autsch! Mehr dazu verrät die im Rahmen der diesjährigen Londoner Design Week vorgestellte "Runaway lamp", die den Pulsschlag nomadisierender Herzen aufgreift.

Auch das neue "Secretario cabinet", der ideale Partner fürs schmachtende Schreiben parfümierter Briefe, verströmt einen Hauch von Schmerz, Unterabteilung Einsamkeit. Apropos bester Partner: ist man immer noch selbst. Zupancs verkupferter "Summertime table" beweist auch das: In Handumdrehen lässt sich dessen Platte zu einem Spiegel hochklappen - oder zu einer Schreibtafel. Reflexion oder Reflexion? Alles eine Frage des Belags. (Robert Haidinger, Rondo, DER STANDARD, 16.8.2013)