Kurt Pittner (70) hat eine Botschaft: "Die Leute sollen sich bewegen!"

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Kurt Pittner, der sein Gewicht locker zweimal stemmte.

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Wien - "Was soll schon aus mir geworden sein", begegnet Kurt Pittner der Neugier telefonisch mit einer Gegenfrage, um selbst leicht unwirsch zu antworten: "Alt bin ich geworden." Und auch beim Empfang in seinem schmucken Haus nahe Wien bestätigt der 70-jährige ehemalige Gewichtheber nicht gleich die Erinnerungen an ihn. In dem zierlichen, höflichen, aber ernsten Mann ist nur schwer jener König der Spaßmacher zu erkennen, der Mitte der 1970er die Superzehnkämpfe der Sporthilfe an der Seite von Stars wie Franz Klammer, Anton Innauer oder Herbert Prohaska zu TV-Ereignissen geadelt hatte. Der sicher auch wegen seines Aussehens - 1,52 Meter groß und trotz unmöglichster Aufgaben stets mit einem schelmischen Lächeln im bärtigen Gesicht - unter den tausenden Zusehern in der Wiener Stadthalle für Lachstürme gesorgt hatte.

"Normalerweise friere ich ein, wenn man mir ein Mikro unter die Nase hält", sagt Kurt Pittner und schaut hinaus in seinen gepflegten Garten ("Der ist in einem fürchterlichen Zustand"). Durch seine Statur sei er 1975 und 1976 bei den Shows zugunsten der Sporthilfe gegen die prominenten Kollegen zumeist im Nachteil gewesen, "also habe ich die Flucht nach vorn angetreten und Schmäh geführt. Situationskomik, das kann ich, wenn ich mit Freunden zusammen bin."

Willenskraft und Klimmzüge

Kurt Pittner wurmt, dass er nicht einmal bei den Klimmzügen der Beste war. Seine 27 Stück konterte Ruderer Raimund Haberl mit 28. "Wäre ich nach ihm dran gewesen, hätte ich den einen mehr gemacht".

Kurt Pittner hat viel Willenskraft gebraucht, um ein Sportler zu werden. Er wuchs als Halbwaise in Wien-Meidling und im Garten der Familie in Brunn am Gebirge auf. Der Vater war in den letzten Kriegstagen in Niederösterreich gefallen. Kurt litt an Wachstumsstörungen. "Ich war rachitisch, hatte Skoliose, Sklerosen und X-Beine." In der Schule lief er bei Spiel und Sport auch mangels Ausdauer hinterher. "Bei Ballspielen im Turnunterricht war ich nicht gefragt, also habe ich mich in die Kletterwand und im Garten in die Bäume gehängt. So habe ich mich gekräftigt."

Ein Freund, dessen Vater Obmann des Meidlinger AK war, nahm ihn zum Gewichtheben mit, damals ein vor allem in Gasthäusern beheimateter Sport. "Ich war kein Talent", sagt Kurt Pittner, aber er war er fleißiger als andere, "ich war ehrgeiziger, habe mehr gemacht".

Versagensängste

1962 stemmt Kurt Bittner den ersten von insgesamt 16 Staatsmeistertiteln. Im Jahr darauf kommt der für das Bundesheer wegen seiner Kurzatmigkeit nur B-Taugliche im Donaupokal zum ersten internationalen Einsatz. Er bringt im Stoßen bald das Zweieinhalbfache seines Körpergewichts zur Hochstrecke. Der gelernte Elektromechaniker bekommt über Intervention des späteren Ministers Erwin Lanc eine Stelle als Hauselektriker im Gaswerk Simmering, wo er täglich zwei Stunden seiner Dienstzeit dem Training widmen darf.

Bei seinen ersten Olympischen Spielen, 1968 in Mexiko, belegt er im Bantam-Gewicht (56 kg) mit einer Dreikampfleistung (Drücken, Reißen, Stoßen) von 322,5 Kilogramm Rang zehn. Vier Jahre später in München scheint für den Federgewichtler (60 kg) sogar eine Medaille in Reichweite. Schließlich hatte Kurt Pittner im Jahr zuvor bei der WM in Lima als Gesamtfünfter Bronzemedaillen im Reißen und im Stoßen gewonnen. Seine 382,5 Kilogramm reichen aber erneut nur zu Rang fünf. "Für eine Medaille hätte ich um ungefähr je drei Kilo mehr reißen und stoßen müssen. Das ist viel."

Die physischen Defizite waren aber nicht ausschlaggebend gewesen. "Ich hatte immer Versagensängste, das war mein größter Hemmschuh. Psychologische Betreuung gab es damals aber nicht", bedauert Kurt Pittner, dessen dritten Spiele, 1976 in Montreal, zum Desaster werden. Er bleibt ohne Platzierung. Die Gründe dafür lässt er sich nur nach und nach entlocken. Etwa, dass er vor dem Wettkampf mit Vinzenz Hörtnagl und Gottfried Langthaler das Zimmer zu teilen hatte. "Die haben furchtbar geschnarcht." Oder, dass das nötige Abkochen auf Wettkampfgewicht zu viel Substanz gekostet hatte. "Und die Nerven haben auch nicht mitgespielt."

Immer im legalen Rahmen

Das größte Problem war aber mangelnde, nun ja, medizinische Betreuung. Die Spiele 1976 waren die ersten nach dem Verbot von anabolen Steroiden. "Ich habe mich immer im legalen Rahmen bewegt", sagt Kurt Pittner. "Außerdem war ich mit diesen Dingen immer vorsichtig." Mit der Illegalität kam die Ratlosigkeit. Von den Ärzten und Funktionären ("die waren Erziehungsberechtigte, die Athlet die zu Erziehenden") kam keine Unterstützung.

Nach der Saison 1976 beendete Pittner seine Karriere, widmete sich seiner beruflichen Zukunft. "Die Leute haben ja geglaubt, dass ich ewig und drei Tage nur gestemmt habe." Tatsächlich hatte er sich während der Karriere, neben ständiger Erwerbstätigkeit, fortgebildet. Anfang der 80er erreicht der inzwischen mit Gerda verheiratete Kurt Pittner in Abendkursen einen HTL-Abschluss. Er wird Sendetechniker beim ORF, in dessen Poststelle er begonnen hatte und für den er bis zur Pensionierung arbeitet.

Zeit hat der Großvater eines Buben wenig. Er betreibt viel Sport, im Freien und in seinem Fitnessraum, den Trophäen schmücken. Ein Bekannter schafft noch 20 Klimmzüge, Kurt Pittner ist das ein Ansporn. "Ich muss in Bewegung bleiben. Nur wenn ich nichts tue, habe ich Beschwerden." Und er will sich jetzt wieder mehr dem Garten widmen, "niederhauen, was mein Auge stört". Kurt Pittner ist schließlich doch aufgetaut. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 12.08.2013)