Bild nicht mehr verfügbar.

Witterungsschwankungen beeinflussen Preise für Frischware im Regal. Wie stark, darüber scheiden sich die Geister.

Foto: ap/Christof Stache
Grafik: Standard

Wien - Marktforscher Klaus Fessel kennt die Preispolitik der österreichischen Handelsketten wie seine Westentasche. Sein Institut Focus und das dazugehörige Konsumentenportal Schnapp.at analysieren im Auftrag von Industrie und Handel seit Jahren regelmäßig die Kosten von gut 7000 Artikeln aus 600 Warengruppen. Gleiches werde dabei mit Gleichem verglichen, von der Verpackungsgröße bis zur Anzahl der als Paket verkauften Produkte, sagt er. Anders als bei Studien der Arbeiterkammer etwa werde zudem zwischen regulären und Aktionspreisen scharf differenziert.

Fessel macht für das erste Halbjahr im Lebensmittelhandel - Diskonter und Drogeriemärkte eingerechnet - in Österreich eine Teuerung von 2,8 Prozent aus. Die Inflationsrate lag in den ersten sechs Monaten vergleichsweise bei 2,3 Prozent. Der gesamte Einzelhandel hob die Preise um 2,1 Prozent.

Einmal mehr stechen vor allem Lebensmittel hervor, die sich um 4,8 Prozent verteuerten. Geringfügig war die Erhöhung bei Getränken. Was den Marktforscher überrascht, ist aber nicht das gesamte Ausmaß der Preisentwicklungen - zumal Nahrungsmittel schon seit Jahren international die Inflation treiben. Ins Auge sticht ihm vielmehr, welche Artikelgruppen der Handel am stärksten verteuerte.

Focus unterscheidet zwischen Marken der Industrie, jenen des Handels und generischen Produkten. Letztere sind markenlos und daher einfach austauschbar. Obst und Gemüse fallen gern darunter, wie auch Fleisch. Und genau diese No Names haben sich am markantesten verteuert, nämlich um sieben Prozent, wie aus der aktuellen, dem Standard vorliegenden Analyse des Instituts hervorgeht. "Der Handel holt sich hier attraktives Körberlgeld", sagt Fessel.

"Schwer nachzuvollziehen"

Markenlose Ware bringt Supermärkten meist die höchsten Margen, auch wenn diese im Billigsegment verwurzelt ist. Mehreinnahmen müssten nicht mit der Industrie geteilt werden. Für Konsumenten habe sie einen hohen Stellenwert, entsprechend große Mengen würden verkauft. Und da sich die sogenannten namenlosen Produkte im Preiseinstiegsbereich bewegen, seien Verteuerungen für Kunden schwerer nachzuvollziehen.

Aus Sicht Fessels geht dies jedoch nicht nur zulasten der Kunden, sondern auch der Industrie. Während die Preise für Markenloses um sieben Prozent stiegen, erhöhten sich jene für die Labels der Hersteller im ersten Halbjahr nur um 1,5 Prozent. "Der Druck auf die Industrie ist enorm. Der Handel akzeptiert hier keine Preiserhöhungen." Was auch für jene Ware gilt, die Produzenten unter Labels des Handels liefern. Die Teuerung war hier nur geringfügig höher als bei den reinen Industriemarken.

Für Nicole Berkmann, Konzernsprecherin von Spar, ist das Körberlgeld "eine gewagte These" oh- ne jeden Zusammenhang. Vor allem Frischwaren wie Obst und Gemüse seien zuletzt starken, witterungsbedingten Preisschwankungen auf dem Weltmarkt ausgesetzt gewesen. Anders als bei verarbeiteten Produkten könne hier weniger auf Günstigeres ausgewichen werden. Dass gerade davon betroffene Sortimente selten über Marken vertrieben werden, sei Zufall.

René Tritscher, der die Geschäfte der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer führt, verweist auf die schwierige Abgrenzung zwischen Waren mit Marke und ohne. Abgesehen davon, sagten diverse Studien aus seiner Sicht oft wenig über die Relevanz einzelner Teuerungen für das gesamte Haushaltsbudget der Österreicher aus.

Für Äpfel, Birnen und Bananen etwa war heuer um rund zehn Prozent mehr zu bezahlen. Der Preis für Karotten stieg um fast 28 Prozent. Erdäpfel verteuerten sich um mehr als 17, Hühner um knapp 14, Schweinernes um sieben Prozent. Günstiger wurden unter anderem Milch, Kaffee, Butter und Säfte - Letztere trotz teurerer Früchte.

Bangen vor Geburtstagsfeiern

Die Rabatte erhöhten sich laut Focus quer durch alle Warengruppen um 0,3 Prozent. Im Schnitt liegen Aktionspreise um 30 Prozent unter den regulären. Beliebt seien im Handel jene, sagt Fessel, die ein ganzes Sortiment umfassen. Denn damit werden Preisvergleiche für Konsumenten de facto unmöglich.

Generell gilt: Je dominanter ein Hersteller ist, desto unelastischer sind die Preise. Fessel nennt als Beispiel dafür Babywindeln.

In der Industrie macht sich derweil schon Angst vor dem nächsten Geburtstagsfest der Handelsketten breit. Spar wird kommendes Jahr 60, was wohl in entsprechend hohe Rabattschlachten mit Rewe ausarten könnte, ist aus der Branche zu hören. Die Zeche der Feier zahlen in der Regel Produzenten: je schwächer eine Marke, desto höher die Werbekostenzuschüsse. Kleine Betriebe, die zudem in klassisches Marketing investieren müssen, sehen sich vielfach von den Kosten zerrieben.

60-prozentige Jubiläumsrabatte halte sie für sehr übertrieben, sagt Berkmann. Generell gebe es aber keinen Grund für die Lieferanten, sich zu fürchten, zumal es hier um ein übliches Spiel gehe, von dem letztlich beide Seiten profitierten.

Dass die hohe Konzentration im Lebensmittelhandel - Rewe, Spar und Hofer halten mehr als 80 Prozent des Marktes - den Weg für Preisabsprachen ebnet, sieht Tritscher nicht so. Im Gegenteil: "Je härter der Konkurrenzkampf ist, desto unwahrscheinlicher sind Absprachen. Am Ende des Tages rauft man sich um 0,1 Prozent Marktanteil." (Verena Kainrath, DER STANDARD, 12.8.2013)