Kampf zwischen Gut und Böse: Rangda-Maske in historischem Einsatz beim Barongtanz auf Bali.

Foto: Weltmuseum Wien

Wien - Der tanzende Gott Shiva aus dem hinduistischen Glauben ist alles andere als harmlos. Denn er repräsentiert nicht nur die Schöpfung, sondern auch das Prinzip des Zerstörens. Und so harmonisch die Ausstellung Getanzte Schöpfung im Wiener Weltmuseum auf den ersten Blick auch erscheinen mag: Sie hat es in sich, wenn man genauer hinschaut, was noch bis zum 30. September möglich ist.

Schon die populäre Darstellung des Shiva als kosmischer Tänzer im Flammenkreis, wie sie als Leihgabe des Pariser Musée Guimet in der Ausstellung zu sehen ist, führt das exemplarisch vor. Bei näherem Hinschauen ist zu erkennen, dass der Gott als Nataraja (König des Tanzes) eine kleine, kauernde Figur zertritt. Und die ist ein mieser Typ: Apasmara, der Dämon der Verblendung und Unwissenheit. Gegen ihn riefen die Menschen dem Mythos zufolge Shiva um Hilfe an. Er kam und tanzte Apasmara zu Tode - mit dem linken Fuß.

Nicht wirklich freundlich ist auch die balinesische Dämonenkönigin Rangda, eine Hauptfigur des Barongtanzes, der den Kampf zwischen Gut und Böse thematisiert. Gegenüber einer historischen, prächtig gruseligen Rangda-Maske hat die zeitgenössische afroösterreichische Künstlerin und Choreografin Elisabeth Tambwe eine Skulptur mit dem Titel 75 Meters of Meditation aufgestellt, deren Haar sich bis in den nächsten Ausstellungsraum zieht. Und während der kürzlich von Impulstanz initiierten Intervention Occupy the Museum hatte sich die Wienerin Florentina Holzinger als Rangda verkleidet und als solche eine Audition für ihr neues Stück abgehalten.

Ein anderer Gegenwartschoreograf, der aus Japan stammende Wiener Michikazu Matsune, hat die Installation Buydentity Unknown beigetragen: In kleinen Schaukästen, die auf die größeren zum Schutz der historischen Artefakte anspielen, ist jeweils ein Objekt (etwa eine Glühbirne oder eine Packung Kondome) zu sehen. Daneben ein Kassabon und ein Foto, das den maskierten Künstler dabei zeigt, wie er das entsprechende Objekt kauft.

Weitere gerahmte Fotos an den Wänden zeigen Matsunes Kopf in verschiedenen Strumpfmasken. Die Bildtitel ergeben sich aus dem Markennamen des Kleidungsstücks, aus dem er die an das bekannte Räuberutensil erinnernden Masken angefertigt hat. "In einer Zeit des ,unfair trade' ist zwischen Rauben und Kaufen fast kein Unterschied, oder?", sagt Matsune dazu in einem Interview, das im lesenswerten Katalog zur Ausstellung abgedruckt ist.

Die Präsenz des Bösen ist auch dort zu erkennen, wo Getanzte Schöpfung den kambodschanischen Apsara-Tanz thematisiert. Das maoistische Regime der Roten Khmer hat zwischen 1975 und 1978 bis zu drei Millionen Kambodschaner ermordet, darunter auch die meisten Tänzerinnen und Tänzer des Königlichen Balletts. In Reliefs und Filmen sind die Zusammenhänge zwischen dem Nymphentanz Apsara, der ab dem neunten nachchristlichen Jahrhundert zur Blüte kam, der Herrschaftsrepräsentation im alten Königreich Kambuja und der Kulturfeindlichkeit der Roten Khmer abzulesen.

Exponierter Königstanz

Der Apsara hatte großen Einfluss auf den vor 200 Jahren entstandenen thailändischen Königstanz Khon, dessen heute bekanntester Vertreter Pichet Klunchun die Ausstellungsbesucher als Tänzer in einem Video empfängt, das in ein hölzernes Tempeltor aus Burma eingefügt ist. Über diese Exponate hinaus erlaubt die vielfältige Schau einen höchst aufschlussreichen Blick auf die kulturelle Bandbreite, die der Tanz als Kommunikationsform zwischen Menschen und Göttern in den Kulturen Asiens widerspiegelt.    (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 9.8.2013)