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Effektvoll auch bei kleinen Gesten: Anna Netrebko.

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Salzburg - Der Vater verleumdet die Tochter bei König und Volk als Ketzerin. Er empfiehlt ihr, zur Seelenrettung, "mit Mut" den Scheiterhaufen zu besteigen. Giacomo d'Arco hat die Visionen Giovannas zur Rettung Frankreichs teuflischem Blendwerk zugeschrieben. Er sieht seinen Irrtum aber ein, löst ihre Ketten - und hofft, dass seine Einsicht nicht zu spät kommt. Tatsächlich stirbt die künftige Heilige hier keinen schmählichen Flammen-, sondern einen visionären Heldentod.

Giovanna d'Arco von Giuseppe Verdi ist kein großformatiges Historiendrama, sondern ein intimes Kammerspiel für drei Personen. Diese Giovanna ist zunächst keine ätherische Visionärin, sondern eine kämpferische Draufgängerin. Eine Frau ganz von dieser Welt, der Liebe - zu König Carlo nämlich, der sich prompt in seine Frontfrau verliebt - fähig.

Anna Netrebko sang die Titelpartie der Giovanna d'Arco zunächst mit der Durchschlagskraft einer Walküre beim Morgentraining - klangschön freilich auch im Dauerforte. Ihre Stimme entfaltete sich letztlich aber glutvoll, offenbarte eine Klangpracht, die auch noch die strahlendsten Höhen zur Fülle zu runden und zu erden schien.

Bewegend ihr Gebet im Kerker, überwältigend ihre Schlussapotheose, die sie von der Höhe der Arkaden in der Felsenreitschule herab sang. Nicht weniger faszinierend die darstellerische Leistung Netrebkos: Es gelingt ihr, ihrer Opernfigur mit kleinen und kleinsten Gesten Präsenz, Farbe und Leben zu verleihen. Ein großer Veteran an ihrer Seite: Plácido Domingo (mit der Bariton-Partie des Giacomo d'Arco) lieh der Figur des verzweifelten Zweiflers seine reich timbrierte (auch nach der jüngst überstandenen Krankheit sicher geführte und tragfähige) Stimme. Auch gab Domingo, der einst in der Tenorpartie des Carlo brillierte, der konzertanten Aufführung insgesamt geradezu erschütternde Anschaulichkeit.

Francesco Meli (als Carlo VII.) nahm hingegen die Anweisung "con entusiasmo" zunächst etwas wörtlich und stellte seinen strahlenden Tenor im Fortissimo auf Autopilot, bis er doch zur souveränen Gestaltung menschlicher Emotion überging. Tatsächlich schienen sich die Protagonisten - einschließlich Paolo Carignani am Pult des Münchner Rundfunkorchesters - erst nach dem ersten Akt langsam "einzukriegen". Der Philharmonia Chor Wien jedenfalls sang (u. a. als aufgestachelte Volksmenge und als flüsternd-böse Dämonengruppe) homogen, tragfähig und wendig. Applaus. (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD, 8.8.2013)