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Ohne den Westen geht im Osten wenig: 60 Prozent des Bankgeschäfts in Osteuropa ist in der Hand westeuropäischer Geldhäuser.

Foto: apa/jaeger
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Wien - Kreditrückgang in Ungarn, weniger Geld für Tochterbanken in Slowenien, Filialschließungen in Rumänien: Von dem einst boomenden Bankgeschäft in Osteuropa ist wenig übriggeblieben. Die Banken in der Region kämpfen mit ihren eigenen Fehlern aus der Vergangenheit (Fremdwährungskredite) und dem schwierigen Umfeld (Rezession). Damit nicht genug: Der Internationale Währungsfonds und die in London ansässige Osteuropabank EBRD befürchten, in der Region könnte eine veritable Kreditklemme die Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung ganz zunichtemachen.

130 Milliarden abgezogen

Nach einer ersten Welle 2008 haben westeuropäische Banken Mitte 2011 erneut damit begonnen, ihre Finanzierung in Osteuropa zurückzufahren. Entgegen den Erwartungen hat sich diese Dynamik Anfang 2013 noch einmal beschleunigt, heißt es in einem neuen IWF-EBRD-Papier. Den beiden Organisationen macht vor allem die Entwicklung der grenzüberschreitenden Bankenforderungen gegenüber Schuldnern in Osteuropa Sorgen.

Diese "foreign claims" sind ein Gradmesser für die Investitions- und Risikobereitschaft von Banken in einer Region. In Ungarn sind grenzüberschreitende Forderungen seit 2011 im Ausmaß von 23 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes zurückgegangen, in Slowenien um 17 Prozent. Zu den Sorgenländern zählen auch Rumänien, die Ukraine und Kroatien. Seit dem Höhepunkt des Booms 2008 haben westeuropäische Banken rund 130 Milliarden Euro abgezogen, was etwa einem Drittel der grenzüberschreitenden Forderungen entspricht.

Kreditnachfrage stockt

Den Rückzug angetreten haben auch österreichische Institute wie die Raiffeisen Bank International und die Erste Group: Die Forderungen heimischer Banken gegenüber Gläubigern in Ungarn sind seit Mitte 2011 von 40 auf 25 Milliarden gesunken, gegenüber Tschechien sind sie im selben Zeitraum von 77,4 auf 60 Milliarden gefallen. Zu der Verunsicherung bei EBRD und IWF tragen auch Äußerungen wie jene von Karl Sevelda, dem Chef der Raiffeisen Bank International, bei, der wiederholt öffentlich erklärt hat, dass man das Geschäft in Märkten wie Ungarn und Slowenien "zurückstecken" muss.

Dabei hat die Entwicklung auch positive Nebeneffekte: Viele Geldhäuser in Osteuropa haben begonnen, ihre Finanzierungsbasis umzustellen. Anstatt über Kredite der klammen Mutterbanken refinanzieren sie sich zunehmend aus lokalen Spareinlagen, was ein Weg zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell sein könnte. Zudem ist ein Teil der Korrektur nach den Bonanza-Jahren vor 2008 in den Augen der EBRD-Ökonomen notwendig. Und: Nicht nur die Banken sind zurückhaltend, auch die Nachfrage nach neuen Krediten in Osteuropa stockt.

Bilanzen werden aufgeputzt

Trotzdem befürchtet die EBRD , dass sich die Lage in Zentral- und Osteuropa zuspitzen könnte. Ein Grund für den Rückzug aus dem Osten ist ja, dass die Geldhäuser im Westen krisenbedingt ihre Bilanzen aufputzen müssen. Diese Tendenz wird sich laut EBRD-Chefökonom Erik Berglof verstärken. Denn im Juli wurde die Umsetzung des Bankenregelwerks Basel III in der EU beschlossen. Die neuen Regelungen, die zwischen 2014 und 2019 in Kraft treten, sehen für Banken strengere Eigenkapitalvorschriften vor. Strikter geregelt wird auch, über wie viel liquide Finanzmittel ein Geldhaus verfügen muss.

Während er die Regeln grundsätzlich für sinnvoll hält, warnt Berglof in einem Blog-Eintrag, dass die Basel-Regelungen grenzüberschreitende Geschäfte in Osteuropa regelrecht bestrafen. Geldhäuser haben zwei Möglichkeiten, die strengeren Vorschriften zu erfüllen: Entweder finden sie Investoren, oder sie ziehen sich aus bestimmten Märkten zurück. Da die Kapitalaufnahme derzeit schwierig ist, dürfte für viele nur der Rückzug infrage kommen.

Politik spielt mit

Bankgeschäfte in Rumänien, Ungarn, Slowenien und Co sind zudem im Durchschnitt risikobehafteter als in Ländern wie Österreich und Deutschland: Das heißt, eine Bank kann die Kapitalanforderungen einfacher erfüllen, wenn sie ihr Osteuropageschäft zurückfährt, sagt ein österreichischer Banker. Patricia Jackson, auf Banken spezialisierte Wirtschaftsprüferin bei Ernst & Young, ortet zudem einen "politischen Aspekt" in der Basel-Debatte: "Für westeuropäische Banken wird es schwierig sein, ihr Kerngeschäft ausgerechnet in ihren Heimatländern zurückzufahren. Österreichische Banken werden daher unter Druck von Politik und Aufsehern kommen, Einschnitte im Ostgeschäft zu setzen."

Bei der EBRD in London bemüht man sich gegenzusteuern: So soll die Koordination der nationalen Aufseher verbessert werden. Zudem wird versucht, die lokalen Kapitalmärkte zu stärken, um Banken neue Einnahmequellen - etwa über den Anleihenmarkt - zu verschaffen. Allerdings steckt die Entwicklung noch in den Kinderschuhen, sagt EBRD-Ökonomin Piroska Nagy, "wir werden aggressiver gegensteuern müssen". (András Szigetvari, DER STANDARD, 7.8.2013)