Wien - Der Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (ECHR) in Straßburg, wonach Mietrechtsansprüche auch auf homosexuelle Partnerschaften übertragen werden müssen, hat am Dienstag Anlass für politische Reaktionen geboten. Der Rechtsanwalt Gabriel Lansky sieht im Entscheid ein "bahnbrechendes Urteil" im Sinne einer Gleichstellung homosexueller Partnerschaften in Europa. "Der Europäische Gerichtshof hat sich klar positioniert, dass der Begriff 'Lebensgemeinschaft' nicht ausschließlich auf traditionelle Lebensgemeinschaften ausgelegt ist", sagte Lansky am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Nationalratsabgeordneten Barbara Prammer (S) und Ulrike Lunacek (G).

"Bruch mit Status-Quo" der herkömmlichen Gesetzgebung

Einen weiteren Bruch mit dem Status-Quo der herkömmlichen Gesetzgebung sieht Lansky darin, dass einem toten Beschwerdeführer auch nach dessen Ableben Recht gesprochen wurde. "Der Urteilsspruch verhindert - und das wird die Diktatoren nicht freuen - dass tote Beschwerdeführer gute Beschwerdeführer sind", so Lansky wörtlich. Die Quintessenz des Urteils fasst Lansky, der den Kläger im entsprechenden Fall rechtlich vertreten hatte, wie folgt zusammen: "Diskriminiere nicht auf Grund sexueller Orientierung, außer du kannst es wahnsinnig gut begründen".

Lansky bezog sich dabei auf den Schiedsspruch des ECHR, der das Urteil des Obersten Gerichtshofes in Österreich abwies, dass die in den 70er Jahren verfassten gesetzlichen Bestimmungen ausschließlich auf konservative (heterosexuelle) Partnerschaften Bezug nehmen würden.

Prammer: "Traditionellen Familienbegriff hinterfragen"

Prammer ergänzte, dass dass es an der Zeit sei, den "traditionellen Familienbegriff zu hinterfragen". "Es ist hinterfragenswert, dass Regierungen Menschen vorschreiben, wie sie zu leben haben", sagte Prammer. Sie sei gespannt, "wie viel Zeit noch vergeht, bis die ÖVP einen pragmatischen Familienbegriff zulässt." Die SP-Politikerin betonte, dass die Gleichstellung im Mietrecht nur ein erster Schritt wäre. Eine Novellierung des Familienrechts sei dringend angebracht.

Lunacek: Gesetze an Bedürfnisse "moderner" Partnerschaften anpassen

Die Abgeordnete Lunacek kritisierte, dass die Regierung in Fragen der Entdiskriminierung nur auf Druck von außen reagieren würde. "Von selbst ist die Regierung nicht bereit, auch nur einen Deut zu ändern, es braucht den Druck von außen", so die Abgeordnete. Lunacek sagte, sie sei dem Urteil deshalb dankbar, weil der ECHR der Argumentation der Regierung nach einem Schutz der traditionellen Familie nicht gefolgt sei. Auch die Grün-Abgeordnete forderte eine Anpassung der Gesetze an die Bedürfnisse "moderner" Partnerschaften, betonte aber auch die Notwendigkeit staatlicher Förderungen breiter Aufklärungsmaßnahmen in der Bevölkerung.

Die Vertreterinnen beider Parteien wiesen darauf hin, dass sowohl die Grünen als auch die SPÖ noch vor der Sommerpause Entschließungsanträge ins Parlament eingebracht hätten, die die aus ihrer Sicht wesentlichen Differenzen der Gleichbehandlung zum Inhalt haben sollen, namentlich in der Pflegefreistellung, im Mietrecht, im Besuchsrecht, im Zeugen-Entschlagungsrecht und im Fremdenrecht.(APA)