Entsetzen und Anerkennung laufen ineinander, wenn deutsche Journalisten in diesen Tagen über Mathias Döpfner reden.

Anerkennung, dass der Vorstandschef der Axel Springer AG seinen jüngsten Megadeal bis zur letzten Minute geheim halten konnte: "Berliner Morgenpost" verkauft, "Hamburger Abendblatt" verkauft, Hörzu verkauft, alle an die Funke-Gruppe (früher WAZ). Mancher hörte Verlagsgründer Axel Cäsar Springer, der seinen Verlagskonzern nach dem Zweiten Weltkrieg mit Hörzu und Abendblatt begründete, im Grab rotieren.

Entsetzen zeigen die Schlagzeilen über den Vertrauten von Springers Witwe Friede. "Rechenmaschine", den Shareholdern verpflichtet, nennt ihn die Berliner Zeitung und erinnert, dass Döpfner doch früher Journalist war, Feuilletonist gar. Der Spiegel spricht vom "chirurgischen Schnitt ins Portfolio" und schimpft, Döpfner zähle zu jener "Garde der Erbengeneration, die mit dem ihr Anvertrauten zunehmend nichts mehr anzufangen weiß". Dass er keine Visionen habe, im Gegensatz zu Facebook-Gründer Marc Zuckerberg, der, im Netz beheimatet, einen Plan verfolge.

Denn das ist nun die 100.000-Euro-Frage auf dem deutschen Medienmarkt: Was wird Springer mit jenen 920 Millionen Euro machen, die der Verkauf der Zeitungen an die Funke-Gruppe bringt? Springer gab sie ja ohne Not der bisherigen Konkurrenz. Eine strategische Entscheidung nach dem Motto: Weg mit dem alten Papier, her mit den neuen Medien.

Vieles möglich

Weil plötzlich so vieles möglich erscheint, was zu Lebzeiten von Axel Springer undenkbar war, fragt sich so mancher, ob sich Döpfner gar auch von der ewig defizitären Tageszeitung "Die Welt" und vom Flaggschiff "Bild" trennen will. Zumal auch Mehrheitsaktionärin Friede Springer nach dem Deal wenig nostalgisch erklärte: "Das Alte ist vergangen, wirklich vergangen." Doch sie sagte auch: "Solange ich hier etwas zu sagen und mitzubestimmen habe, werden die Welt- und die Bild-Gruppe nicht angetastet."

"Die Cashcow 'Bild' wird nicht einmal Döpfner antasten", sagt auch Zeitungsforscher Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut. Ihn hat der Verkauf der Traditionsblätter ebenfalls überrascht: Seit Jahren erlebte die deutsche Medienlandschaft kein solches Geschäft.

Kein Totenglöcklen

Döpfner gehe konsequent vor: "Er setzt auf Titel im Internet und stößt dafür Regionalblätter ab", sagt Röper im Gespräch mit dem STANDARD. Der Medienexperte versteht die Aufregung in der Branche. Natürlich lasse niemanden kalt, wenn der bisher größte Zeitungsverlag Deutschlands, ja Europas erklärt, er wolle sein Geld nicht mehr vorrangig mit Printtiteln verdienen.

Und dennoch sagt Röper: "Ein großes Signal an die ganze Zeitungslandschaft ist es nicht. Der Springer-Deal ist kein Totenglöckchen für Print." Denn das Geschäft, über das jetzt alle reden, verstelle ein wenig den Blick auf Entwicklungen, bei denen Gegenteiliges zu bemerken sei.

"Viele deutsche Regionalzeitungen investieren in Druckmaschinen", sagt Röper. Glaubten sie nicht an eine Zukunft der gedruckten Zeitungen, so würden sie das nicht tun. Schließlich handelt es sich dabei um mittelfristige Investitionen, die sich erst in zehn bis 15 Jahren amortisieren. Röper verweist auch auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), die vor kurzem die insolvente Frankfurter Rundschau (FR) übernommen hat: "Die Margen der Neunzigerjahre gibt es nicht mehr, aber man kann in Deutschland wie auch anderswo immer noch Rendite mit gedruckten Zeitungen machen."

Die Funke-Gruppe versucht das offenbar mit größerer Schwungmasse - "Hamburger Abendblatt" und "Berliner Morgenpost" von Springer - und größeren Synergien - auch bisherige WAZ-Blätter sollen Artikel von Springers Welt übernehmen.

Beteiligungen

In Österreich war Springer schon am STANDARD, an "News", bis 2002 an der "Tiroler Tageszeitung" und am Sportmagazin-Verlag beteiligt. Die Funke-Gruppe hält noch an "Krone" und "Kurier" rund 50 Prozent. Und Springer leiht Funke 260 Millionen Euro, damit sie die Springer-Blätter überhaupt kaufen kann.

Auch Röper lässt diese Konstellation spekulieren: "Möglicherweise erfolgt in einiger Zeit der Wiedereinstieg in Österreich." "Krone" -Mitgesellschafter Christoph Dichand hat schon verlauten lassen: Bevor Springer die Funke-Anteile holt, würde die Familie ihr Vorkaufsrecht nutzen. Andererseits suchten die Dichands in den vergangenen Jahren durchaus den Kontakt mit Döpfner.

"Thematisch passen würde es ja, wenn man sich 'Kronen Zeitung' und 'Bild' ansieht", sagt Röper. Darüber hinaus könnte sich Döpfner auch in Österreich dem Ausbau von Online-Auftritten widmen. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 3./4.8.2013)